Mönchengladbachs torreicher Traum vom Glück
3. November 2020Der Mitarbeiter der Pressestelle von Borussia Mönchengladbach, der an diesem Abend die Social-Media-Aktivitäten übernommen hatte, musste sich schon in der ersten halben Stunde der Partie einiges an Superlativen einfallen lassen, um die Sache in den Griff zu bekommen. "Unfassbar!" "Was für ein Start!" "Der nächste Treffer!" Man konnte sich regelrecht die Schnappatmung vorstellen, mit der dieser Twitter-Account beatmet wurde. Nach Ablauf der 30 Minuten halfen nur noch Emojis statt Worte:
Wieder einmal war es Alassane Plea, der die Fohlen zu diesem Zeitpunkt in der Champions-League-Partie bei Schachtar Donezk träumen ließ. Der Franzose hatte in der achten Minute den Torreigen eröffnet, in der 26. Minute einen weiteren Treffer wie an der Schnur gezogen ins Eck beigesteuert und sich mitgefreut, als ein Eigentor von Valeriy Bondar und schließlich Ramy Bensebaini den Halbzeitstand 0:4 aus Sicht der Gastgeber klarmachten.
Erfolg kann aus den Händen gleiten
Ob das reichen sollte an diesem Abend? Fast traumatisch erinnerte man sich im Kreis der Mönchengladbacher an jene ebenfalls sehr ruhmreich begonnene Partie gegen die "Königlichen" daheim am letzten Spieltag. Lange hatte man da auch deutlich geführt und Real Madrid zwischenzeitlich wie eine mittelklassige Bundesliga-Mannschaft aussehen lassen ( ... nichts gegen mittelklassige Bundesliga-Mannschaften, aber das war doch Real!). Und am Ende konnten die Deutschen froh sein, dass ihnen beim 2:2-Unentschieden der Erfolg nicht ganz aus den Händen glitt.
Doch das sollte den Borussen hier nicht noch einmal passieren. Lars Stindl sorgte nach dem Wechsel in der 65. Minute dafür, dass der Social-Media-Beauftragte wieder einen dieser schönen Kurzfilme herauskramen konnte. "Tooor, Tooor, Tooor", mit vielen Os geschrieben.
Fazit am Ende: 6:0-Auswärtssieg. Noch ein Fazit: Borussia Mönchengladbach ist Tabellenführer in dieser Gruppe, die man nach der Auslosung ja als eher unlösbare Aufgabe ansehen konnte. Neben Real treten da ja schließlich noch die Herren Großverdiener von Inter Mailand auf den Plan. Und auch wenn längst nicht aller Tage Abend ist: Es könnte etwas gehen für Mönchengladbach in dieser Champions-League-Saison.
Das spüren inzwischen auch die Verantwortlichen, und können sich daran freuen, dass sich die kolportierten 23 Millionen Euro Ablösesumme für Plea seit 2018 inzwischen ausgezahlt haben. Aber es war nicht nur Plea (der sogar noch ein drittes Tor zum Endstand in Donezk beisteuerte), den Trainer Marco Rose und Manager Max Eberl an diesem Abend hochleben ließen. "Heute haben wir eine Menge richtig gemacht, um nicht zu sagen: Fast alles", referierte ein zufriedener Coach.
Den Traum nicht nur träumen
Man könnte, wenn man diese Mönchengladbacher Mannschaft ansieht, glatt ins Schwärmen geraten. Oder in eine Art Traum-Euphorie: Dass sie in Donezk ihre weißen Trikots trugen, ließ die Gladbacher so aussehen, als wären sie und nicht Real in Wahrheit die "Königlichen". Und das in der Stadt, die das Zentrum der Kohleregion Donbass darstellt. Und mit dieser Information wäre man ruckzuck zurück in der Realität. Denn nicht zuletzt die Borussen wissen, dass noch eine Menge Fußballer-Malocher-Arbeit auf sie zukommen wird, wenn sie ihren Traum vom Glück in der Champions League eben nicht nur - träumen wollen.