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Politik

Nächster Akt in der Causa Maaßen

13. September 2018

In der Diskussion um die Vorfälle in Chemnitz hat sich Innenminister Seehofer hinter Verfassungsschutzchef Maaßen gestellt. Doch SPD-Politiker melden massive Bedenken an - und stellen sogar die Koalition in Frage.

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Deutschland Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Maaßen muss sich erklären

Einige Tage nach den heftig kritisierten Äußerungen von Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat sein Dienstherr Horst Seehofer (CSU) deutlich gemacht, dass er an ihm festhalten will. Nach einer Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses erklärte der Bundesinnenminister am Mittwochabend, Maaßen bedauere seine Darstellung und das begrüße er. "Ich habe dem Innenausschuss mitgeteilt, dass ich aufgrund seiner Darstellung des Berichts und der Diskussion für personelle Konsequenzen keinen Anlass sehe." Seinen Standpunkt bekräftigte Seehofer am heutigen Donnerstag auch noch einmal im Bundestag.

Indessen werten Abgeordnete mehrerer Parteien den Auftritt des Verfassungsschutzpräsidenten völlig anders als der Minister - allen voran die SPD. Juso-Chef Kevin Kühnert machte die Causa Maaßen sogar zur Koalitionsfrage. "Sollte der Verfassungsschutzpräsident im Amt bleiben, kann die SPD nicht einfach so in der Regierung weiterarbeiten", sagte Kühnert dem Magazin "Der Spiegel".

Die Kanzlerin müsse nun einen Weg finden, Maaßen zu entlassen, "oder wir müssen unsere eigenen Konsequenzen ziehen". Das sei auch eine Frage der Selbstachtung. "Wenn wir es Maaßen und der CSU durchgehen ließen, Verschwörungstheorien zu verbreiten, würden wir die dramatische Diskursverschiebung nach rechts legitimieren", warnte Kühnert.

Bundesvorsitzender der Jusos - Kevin Kühnert
Juso-Chef Kühnert sieht in Maaßens Äußerungen einen TabubruchBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Rücktritt mit allen Konsequenzen einfordern"

Auch andere Sozialdemokraten vertreten den Standpunkt, dass der Fall  Maaßen noch nicht beendet ist. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl sagte, Maaßen sei es nicht gelungen, das Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder herzustellen. Die SPD habe "starke Zweifel", ob er noch der richtige für das Amt sei. Seehofer müsse in den nächsten Tagen entscheiden, wie es weitergehen solle. 

Der bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post meinte, die SPD sei nun an "einer Glaubwürdigkeitsfrage" angelangt. Ein Rücktritt von Maaßen oder Innenminister Horst Seehofer (CSU) sei unausweichlich. "Das müssen wir einfordern. Mit allen Konsequenzen - auch der des Koalitionsbruches", verlangte Post im "Spiegel". 

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach Maaßen die Eignung für sein Amt ab. Zudem habe sich Seehofer mit seinem Festhalten an dem Verfassungsschutzchef  "nicht loyal gegenüber seiner Bundeskanzlerin" Angela Merkel verhalten, so Weil im NDR. Er erwarte aber Bewegung nach der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober: "Nach allem, was wir wissen, steht die CSU vor einer krachenden Wahlniederlage und ich kann mir gut vorstellen, dass es anschließend eine Menge Änderungen geben wird, womöglich auch bezogen auf Bundesinnenminister Seehofer und den Verfassungsschutzpräsidenten."

Kritik auch aus der Opposition

Kritik an Seehofers Entscheidung, Maaßen im Amt zu halten, kam auch von Grünen und Linken im Bundestag. Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic sagte etwa, Maaßen sei nach den Vorgängen in seinem Amt nicht mehr tragbar. 

Dagegen hält FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle eine Entlassung des Behördenchefs für wenig hilfreich. Es gebe zwar "große Zweifel" an Maaßens Eignung für das Amt, und er hätte "Verständnis" für dessen Entlassung oder Rücktritt, sagte Kuhle im SWR. Damit würde aber das eigentliche Problem - der Konflikt zwischen Seehofer und Merkel - nicht gelöst.

Maaßen steht zu seinem Interview

Im Innenausschuss hatte der oberste Verfassungsschützer nach Informationen von Teilnehmern vor allem die Medien heftig kritisiert. Maaßen sagte, man solle "Hetzjagden nicht herbei schreiben". Er sprach von einer negativen Stimmung der Bürger gegenüber Medien und Journalisten.

Zu seinem Interview mit der "Bild"-Zeitung, das eine heftige Kontroverse ausgelöst hatte, sagte er demnach: "Ich würde das Interview so wieder geben." Im Ausschuss erklärte Seehofer nach Teilnehmerkreisen, der Inhalt des Interviews sei nicht mit ihm abgestimmt gewesen. Dennoch stellen sich CDU, CSU und FDP im Bundestag hinter Maaßen. CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte, er halte Forderungen nach einem Rücktritt von Maaßen für "nicht verhältnismäßig". Maaßen habe glaubwürdig dargelegt, dass er mit seinem umstrittenen Interview zur "Lageberuhigung" habe beitragen wollen. Wegen der Umsetzung dieser Absicht habe er aber Kritik geerntet.

Berlin Hans-Georg Maaßen vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium
Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV)Bild: picture-alliance/dpaB. von Jutrczenka

"Keine schlüssige Erklärung"

Zuvor hatte der Verfassungsschutzpräsident die Ansicht vertreten, dass nicht seine Behörde, sondern die Urheber des Chemnitz-Videos die Echtheit des Mitschnitts beweisen müssten. Maaßen geht damit neue Wege in der Geheimdienstarbeit. "Nicht der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), sondern der Urheber des Videos hat zu belegen, dass mit dem Video 'Hetzjagden' in Chemnitz am 26. August 2018 dokumentiert werden", heißt es in der Stellungnahme, die Vorlage für die Befragung von Maaßen im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Innenausschuss ist. 

Das im Internet kursierende Video ist von zentraler Bedeutung für die Debatte über die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Chemnitz, denn es soll ein Beleg für Hetzjagden auf Ausländer sein. Maaßen hatte in der "Bild"-Zeitung erklärt, bei den Ausschreitungen in Chemnitz habe es keine Belege für Hetzjagden auf ausländisch aussehende Menschen gegeben.

Auch hatte er Zweifel an der Echtheit des Videos geäußert und von gezielten Falschinformationen gesprochen. Seine Äußerungen lösten parteiübergreifend Empörung aus. Kritiker werfen ihm vor, die Chemnitzer Geschehnisse verharmlosen zu wollen und halten ihn als Verfassungsschutzchef für ungeeignet. 

Schwere Vorwürfe gegen einen Twitter-Nutzer "Antifa Zeckenbiss"

Nach Maaßens Angaben hat die Gruppierung "Antifa-Zeckenbiss" das Video mit der Überschrift "Menschenjagd in Chemnitz" verbreitet. Die Gruppierung habe nach eigenen Angaben das Video auf einer "patriotischen Plattform" gefunden. Diesen Zusammenhang habe er infrage stellen wollen. Auf dem Video sei nur zu sehen, wie "eine Person von anderen Personen über fünf bis sieben Meter verfolgt wird".

"Das Video dokumentiert selbst keine Szenerie einer Menschenjagd", erklärte Maaßen dazu. Er habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, das Video sei gefälscht. Weiter heißt es: "Vor diesem Hintergrund bewertet der Präsident des BfV das Video nicht als authentisch für die Behauptung, es habe 'Hetzjagden' in Chemnitz gegeben."

ie/ww/cgn/sam (afp, dpa, rtr)