Türkisch-deutsches Filmfest in Nürnberg
9. März 2009Artifizielle Bilder voller Poesie mit wenigen Worten sind das Markenzeichen dieses Regisseurs. Für "Drei Affen" bekam der prominente Vertreter des türkischen Autorenkinos bei den letzten Filmfestspielen in Cannes den Preis für die beste Regie. Jetzt wurde dieses elegische Werk in Nürnberg gezeigt: ein düsteres Beziehungsdrama in urbaner Tristesse, bei dem die Akteure wie die legendären asiatischen Affen nichts sehen, hören oder sagen wollen; ein Streifen, bei dem ein Chauffeur wegen eines Verkehrsdeliktes gegen Bezahlung für seinen Chef, einen windigen Lokalpolitiker, ins Gefängnis geht.
Das psychologisch tiefschürfende Opus voller Melancholie handelt von Ohnmacht, Sprachlosigkeit und Entfremdung zwischen den Geschlechtern. "Wie in meinen anderen Arbeiten auch", sagt Nuri Bilge Ceylan, der zur Vorstellung seines Filmes eigens nach Nürnberg gereist war, "wollte ich mit diesem Film versuchen, die menschliche Natur zu verstehen". Deshalb sei die Story an sich eigentlich unwichtig. Allerdings gebe es in dem Film – wenn auch versteckt – ein paar Metaphern über die Situation in der Türkei.
Politische Filme sorgen für Aufsehen
Ein im Mafiamilieu angesiedelter Thriller stand ebenso auf dem Programm des türkisch-deutschen Filmmarathons wie im multikulturellen Problemfeld spielende Komödien: "Evet, ich will!" beispielsweise handelt von fünf völlig verschiedenen Paaren, die sich unter kulturell und familiär erschwerten Bedingungen das Ja-Wort geben. Vorurteile prallen aufeinander, Irrungen und Wirrungen sind die Folge in diesem amüsanten Debütfilm von Sinan Akkus.
Vor allem aber politische Filme sorgten bei diesem Festival für Aufsehen. So porträtiert Can Dündar in seinem Dokudrama „Mustafa“ den Begründer der modernen Türkei Mustafa Kemal Atatürk. Der Regisseur entmystifiziert den vergötterten Führer und zeigt Atatürk als Kettenraucher, Frauenheld und Alkoholiker. In der Türkei ist dieses Werk ein Publikumsrenner. Dennoch ermittelt inzwischen der Staatsanwalt gegen den Regisseur, wie dieser am Rande des Festivals verriet.
Mordakte Hrant Dink
Mit dem Schicksal des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink, der 2007 in Istanbul auf offener Strasse erschossen worden war, weil er sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hatte, beschäftigte sich der Dokumentarfilm von Simone Sitte und Osman Okkan "Die Mordakte Hrant Dink". Dessen Welturaufführung in Nürnberg belegte die Verwicklungen von türkischen Militärs und Polizisten in diesen Mordfall.
"Herbst", eine deutsch-türkische Koproduktion über einen Gefängnisaufstand gegen Isolation und Folter am Bosporus, zeigte einmal mehr, dass türkische Regisseure sich inzwischen verstärkt mit einstigen Tabuthemen in ihrem Land auseinandersetzen.
Kino zum Anfassen
Auch deutsche Filme waren beim 14. Filmfestival Türkei/Deutschland zu sehen. Eine Hommage würdigte das interkulturelle Engagement von Armin Mueller-Stahl, der zur Entgegennahme des Ehrenpreises persönlich nach Nürnberg gekommen war. Die Dokumentation "Heimvorteil – Moscheebau in Wertheim" machte deutlich, auf welche Vorurteile die Errichtung einer
Moschee in Deutschland treffen kann.
Und Preise gab´s zum Schluß auch noch. "Der Architekt" von Ina Weisse sowie der Streifen "Mommo" von Atalay Tasdiken wurde als beste Filme in Nürnberg ausgezeichnet. "Mommo" erhielt zudem den Publikumspreis. Weitgehend ausverkaufte Veranstaltungen beweisen, dass das Konzept des 14. Filmfestivals Türkei/Deutschland aufgegangen ist, nämlich: Zuschauern "Kino zum Anfassen" zu bieten - mit vielen deutschen Erstaufführungen und Podiumsdiskussionen mit prominenten Filmschaffenden aus beiden Ländern.