Nürnberg und seine Lehre
13. Oktober 2021Die US-Behörden hatten zuvor die Brüder Stuart und Budd Schulberg beauftragt, Foto- und Filmmaterial über Nazi-Verbrechen als Beweismittel zusammenzutragen.
Am 20. November 1945 begann der erste Nürnberger Prozess, bei dem die vier alliierten Siegermächte 24 Hauptkriegsverbrecher und sechs verbrecherische Organisationen des Dritten Reichs vor einem internationalen Militärgerichtshof zur Verantwortung zogen. Dem Hauptkriegsverbrecher-Prozess folgten zwölf weitere Prozesse gegen Angehörige der Eliten des NS-Staats - gegen Politiker, Diplomaten, Unternehmer und Ärzte. Über die Nürnberger Prozesse wurden mehrere Filme gedreht.
Diese Dokumentation unterscheidet sich von ihnen durch ihren sehr persönlichen Blickwinkel, denn sie erzählt die ungewöhnliche Geschichte der Brüder Stuart und Budd Schulberg, die von den US-Behörden beauftragt wurden, für den Prozess filmische Beweise von den Nazi-Gräueltaten zusammenzutragen.
Nach vier Monaten gefahrvoller Suche im verwüsteten Europa hatten sie Hunderte Stunden an Archivmaterial beisammen, das größtenteils von Nazis selbst aufgenommen und an geheimen Orten aufbewahrt worden war. Für den Filmschnitt arbeiteten die Schulbergs mit so bekannten Filmemachern wie John Ford zusammen.
Die zu mehreren Filmen gebündelten Aufnahmen wurden den Richtern auf einer großen Leinwand direkt im Verhandlungssaal vorgeführt, die wichtigsten waren "Nazi Concentration Camps" und "The Nazi Plan". Stuart und Budd Schulbergs Filme prägten die kollektive Wahrnehmung der Nazi-Verbrechen nachhaltig.
Weit weniger bekannt ist dagegen ein anderer Film, der ebenfalls damals entstand: Im Auftrag des US-amerikanischen Hauptanklägers Robert Jackson filmte Stuart Schulberg, der jüngere der beiden Brüder, den Prozess. Dieser Film über die Nürnberger Prozesse hätte 1948 unter dem Titel "Nuremberg: Its Lesson for Today" ("Nürnberg und seine Lehre") in die US-amerikanischen Kinos kommen sollen.
Doch in der Nachkriegszeit hatte die Versöhnung mit Deutschland Vorrang, der neue Feind war die Sowjetunion. So geriet der Film für fast 60 Jahre in Vergessenheit. Erst im Jahr 2003 knüpfte Stuarts Tochter Sandra Schulberg an das Werk ihres Vaters an. In jahrelanger Arbeit gelang es ihr, die Filmrollen zusammenzutragen, zu sortieren und zu restaurieren. Ihr Film erhellt bisher unbekannte Aspekte jener historischen Zäsur.
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