Nach dem Krebs: Erfolg bewusster wahrgenommen
4. Februar 2020"Es ist wirklich schwierig", sagt Antje Möldner-Schmidt nachdenklich und meint ihren Abschied vom Leistungssport, den sie vor wenigen Tagen verkündet hat. Nicht der Krebs hat die Europameisterin von 2014 gestoppt, es ist letztlich eine hartnäckige Fußverletzung, die eine Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Tokio, das geplante letzte Karriere-Highlight der 35-Jährigen, unmöglich macht. "Die Zeit wäre einfach zu knapp."
Dass sie überhaupt wieder würde laufen können und sogar gewinnen, stand 2010 in den Sternen. Möldner-Schmidt gehört damals zur Weltelite über 3000 Meter Hindernis, als sie die Diagnose erhält: Lymphdrüsenkrebs. "Nach dem ersten Schock war mir klar, ich wollte schnell wieder angreifen", erzählt sie, "das war sicher ein bisschen blauäugig. Das hat mir damals aber vielleicht auch irgendwo geholfen, damit schneller fertig zu werden." Ganz so schnell, wie es sich die ehrgeizige Athletin vorgestellt hat, geht es dann aber doch nicht. Während der Behandlung muss sie monatelang auf Sport völlig verzichten. "Ich habe gar nichts gemacht, weil es schlicht nicht angeboten wurde." Eine Tatsache, die sie bedauert, mit Blick auf die inzwischen nachgewiesenen, positiven Effekte von Bewegung und Sport in der Krebstherapie.
Marco Russ: Tumordiagnose nach Dopingkontrolle
Wie Möldner-Schmidt gab es schon einige Hochleistungssportler, die sich auf einmal als Krebspatienten wiederfanden. Von Lance Armstrong, der aus der Geschichte seines Leidensweges eine publikumswirksame Fassade für seine Doping-Betrügereien schuf, über Fußballprofi Heiko Herrlich bis hin zu Marco Russ. Der Frankfurter Kicker fiel 2016 bei einer Dopingprobe auf. Grund der entgleisten Werte war allerdings kein Dopingmittel, sondern Hodenkrebs. Nach Operation und zwei Chemotherapien kehrte er ein Jahr später auf das Spielfeld zurück. "Ich bin immer noch der gleiche Marco Russ wie vor der Krankheit", sagte er in einem Zeitungsinterview. "Aber ich weiß, dass es wichtigere Sachen als Fußball gibt." Kurz darauf feierte Russ den größten Erfolg seiner Karriere: den Pokalsieg mit Eintracht Frankfurt.
EM-Gold in Zürich
Auch Antje Möldner-Schmidt gelingt der Weg zurück. "Der Anfang war schon sehr schwer", erinnert sie sich. "Ich musste zwischen den Trainingseinheiten ein bis zwei Tage pausieren, weil der Körper nach der Chemotherapie und der Bestrahlung einfach mehr Zeit zur Regeneration brauchte."
2012 wird sie EM-Dritte, darf sich später nach der Disqualifikation der Zweitplatzierten Ukrainerin Switlana Shmidt wegen Dopings sogar über Silber freuen. 2014 gewinnt Möldner-Schmidt in Zürich EM-Gold über die Hindernis-Strecke. Für sie ein ganz besonderes Glücksgefühl: "Das war der Moment an dem der ganze Stress abgefallen ist. Natürlich denkt man da auch an die überstandene Erkrankung, das kann man nicht leugnen."
Erst jetzt, rückblickend, kann sie besser einschätzen, wie sie diese Erfahrung geprägt hat. "Im Nachgang geht man ganz anders mit so etwas um. Ich bin auf jeden Fall feinfühliger geworden. Ich genieße den Moment und die Zeit mit der Familie", sagt Möldner-Schmidt. "Und ich habe gelernt, besser auf meinen Körper zu hören, wenn irgendwas ist."
Das Leben genießen
Aus diesem Empfinden heraus scheint nun auch der Entschluss gefallen zu sein, ihre aktive Karriere zu beenden, obgleich Sport natürlich auch weiter eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen wird. Das empfiehlt sie auch Menschen, die selbst mit einer Krebserkrankung zu kämpfen haben, weil "Bewegung hilfreich sein kann, um Symptome während der Therapie zu lindern". Wichtig sei, so Antje Möldner-Schmidt, sich nicht zu hohe Ziele zu stecken: "Kleine Erfolgserlebnisse zu haben, ist wichtig, was Sport und Therapie zusammen angeht. Und einfach das Leben zu genießen."