Jazzfest Bonn inspiriert von Beethoven
27. November 2019Durchs ganze Beethoven-Jubiläumsjahr hindurch werden weltweit Orchester und Solisten verschiedenste Interpretationsansätze seiner Musik an den Tag legen. Der Spielraum dafür ist unendlich, existiert jedoch innerhalb enger Parameter: Schließlich spielen sie doch alle dieselben Noten.
Vergessen wird oft, dass "klassische" Komponisten zu Beethovens Zeit und davor rege improvisierten – und dass spontane musikalische Eingebung oft die Quelle ihrer ausgeschriebenen Kompositionen war. Das gilt im hohen Maße für Ludwig van Beethoven selbst. Die Improvisationspraxis, die früher selbstverständlich zur Musik gehörte, verkümmerte, lebt jedoch fort im heutigen Jazz.
Diese historische Tatsache rückt das Jazzfest Bonn in der kommenden Saison in den Mittelpunkt seines Programms.
Schnittstellen zwischen den Genres
Im 11. Jahr seines Bestehens ist das Fest inzwischen auf 30 Konzerte angewachsen, die zwischen dem 30. April und dem 30. Mai 2020 stattfinden. In den Programmen werden diesmal Schnittstellen zwischen den Genres ausgelotet, etwa durch zwei junge "klassische" Musiker, den Violinisten Tobias Feldmann und den Pianisten Frank Dupree, die zusammen Repertoirestücke mit jazzigen Seitenblicken wiedergeben werden. Am selben Abend tritt dann Dupree mit seinem Jazztrio auf und gibt eine Bearbeitung von Beethovens Klaviersonate Nr. 32 wieder.
Mehr als nur jazzige Seitenblicke bringt der amerikanische Pianist Richie Beirach, ein Meister der Improvisation, der gerne auch auf die Klassik zurückgreift. Während des Jazzfests tritt er in Bonn zusammen mit dem Sirius Quartett auf und spielt eine eigene Beethoven-Bearbeitung. Ein weiteres Streichquartett, das Auryn-Quartett, tritt zusammen mit Roger Hanschel, einem Mitglied der Kölner Saxophon Mafia auf.
Obwohl Bonner Räumlichkeiten wie der Kammermusiksaal im Beethoven-Haus, das Volksbank-Haus und die Brotfabrik eher klein sind, sind auch einige Namen der Szene dabei, die regelmäßig große Säle füllen. Dazu gehört der Norweger Jan Garbarek, eine Ikone unter Saxophonisten, der bereits in den frühen Siebziger Jahren einen ganz eigenen Stil geprägt hat.
Die größten Namen überhaupt
Die zwei bekanntesten Namen unter den deutschen Jazzern sind Klaus Doldinger (Artikelbild) und Till Brönner, und beide Namen schmücken diesmal das Programm des Jazzfests. Doldinger ganz zu Beginn – der 30. April ist auch "International Jazz Day". Hier möchte der künstlerische Leiter des Jazzfestes, Peter Materna, die große Bandbreite des deutschen Jazz zeigen und lässt den inzwischen 83-jährigen Altmeister im Bonner Telekom Forum mit seiner legendären Band Passport direkt nach dem Bundesjazzorchester aus Nachwuchsmusikern spielen. Viele von Doldingers Kompositionen – es sind rund 2.000 – sind in Deutschland sehr bekannt, dazu gehören die Titelmelodie der Fernsehserie "Tatort" oder die Musik zum Film "Das Boot" aus den 1980er Jahren. Dafür spielt das Bundesjazzorchester regelmäßig ganz neue Kompositionen als Auftragswerke.
Bei einem weiteren Doppelkonzert tritt der erfolgreichste deutsche Trompeter Till Brönner mit seiner Band nach einer Neuentdeckung auf: Der inzwischen 21-jährige, in Köln lebende Jazzer Simon Oslender galt einst als Wunderkind.
Doppelkonzerte sind das Wahrzeichen des Jazzfests Bonn. Hier treten bekannte und weniger bekannte Künstler in kompakten, jeweils etwa einstündigen Auftritten auf. Oft sind es stark kontrastierende Acts. Das Fest ist regelmäßig komplett ausverkauft, und die Eigenfinanzierung liegt bei 85 Prozent. Viele Besucher kommen aus Bonn und Köln, einige jedoch von weiter her, sogar aus den USA, so Materna.
Vielen ist auch der Name Kühn bekannt; beim Auftritt der Brüder Rolf & Joachim Kühn, 90 und 75 Jahre alt, wird vieles aus der Geschichte des Jazz seit den 1940er Jahren anklingen.
Ein weiterer Künstlername mit Zugkraft ist der finnische Pianist Iiro Rantala, der im Beethoven-Haus einmal solistisch auftritt und einmal zusammen mit dem Galatea Quartett, einem klassischen Streichquartett aus der Schweiz.
Seitenblicke und Rahmenprogramm
Klassisch geht es auch bei einem Konzert mit dem Titel "Beethoven Variations" zu, es spielen Christopher Dell, Christian Lillinger, Jonas Westergaard und Peter Evans. Ein selbstbeschriebenes "Konzertspektakel" bietet die Jazzrausch Bigband mit dem Titel "Beethoven's Breakdown". Die Band hatte im Vorjahr einen berauschenden Auftritt in der Bonner Oper; ihren Sound könnte man als "Jazz-Techno" beschreiben.
Einen Seitenblick in die aktuellen Jazzszenen Deutschlands europäischer Nachbarn gibt etwa das Spiel des Mathias Eick Quintet aus Norwegen oder die erst 20 Jahre alte polnische Bassistin Kinga Glyk.
Ein Symposium zum Thema Improvisation und ein musikalischer Rundgang im ehemaligen Bundesviertel in der einstigen Hauptstadt Bonn runden das Programm ab, das diesmal eine Sonderförderung durch die Beethoven Jubiläums GmbH BTHVN2020 erhielt. Ferner wurde ein neuer Jazz-Wettbewerb namens JazzBeet ausgerufen, bei dem junge Trio-Formationen eingeladen werden, im Stil Beethovens zu komponieren und zu spielen. Der Gewinner spielt dann beim Abschlusskonzert des Festivals.
Als Medienpartner des Jazzfests Bonn wird die Deutsche Welle wieder mehrere Konzerte aufnehmen und als Download auf diesen Seiten anbieten.