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Nach der Flut ist vor der Flut

Martin Koch21. Juni 2013

Das Wasser sinkt langsam, aber in den Hochwassergebieten Deutschlands wird weiter geschuftet, um die Folgen der Flut zu beseitigen. Die Milliardenhilfen von Bund und Ländern werden dringend gebraucht.

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Aufräumarbeiten in Grimma (Sachsen) nach dem Hochwasser (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Wir sind deutscher Meister im Aufräumen!" Mit einem breiten Grinsen zeigt Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger auf den Marktplatz seiner Stadt. "Besenrein, nur fünf Tage nach der Flut!" 35.000 Kubikmeter Müll haben die Helfer gesammelt und entsorgt - jetzt zeigt sich die Innenstadt schon wieder in einem sehr präsentablen Zustand. Aber zwischendurch sei die Stimmung schon sehr gedrückt gewesen, gibt Berger zu: "Wenn man sieht, was alles kaputt gegangen ist, da hätte man schon heulen können."

Immerhin, die Wassermenge, die durch die sächsische Kleinstadt strömte, war etwas geringer als beim Hochwasser von 2002. Dazu hat auch beigetragen, dass die damals zerstörte Pöppelmannsbrücke beim Wiederaufbau etwas höher gelegt wurde, sodass mehr Wasser des Flusses Mulde darunter wegfließen konnte. Das habe den Pegelstand in der Stadt um 70 Zentimeter gesenkt, so Berger. Trotzdem hat das zweite Hochwasser in elf Jahren verheerende Wirkung auf die Stadt, vor allem auf die Unternehmer: "Zwei solche Katastrophen in so kurzer Zeit, das fängt keine Versicherung mehr auf und Banken geben keine neuen Kredite", beschreibt Matthias Berger die Misere. Deshalb hofft er, dass Grimma - wie schon 2002 - großzügig bedacht wird, wenn die Gelder aus dem Entschädigungsfonds verteilt werden.

Die Bildkombo zeigt das Rathaus der Stadt Grimma (Sachsen) im Hochwasser der Mulde am 03.06.2013 (oben) und neun Tage später nach der Flut am 12.06.2013 (Fotos: dpa)
Vorher - nachher: Der Marktplatz von GrimmaBild: picture-alliance/dpa

Acht Milliarden für die Hochwasseropfer

Ersten Schätzungen zufolge hat die Hochwasserkatastrophe entlang von Elbe und Donau sowie ihren Nebenflüssen Schäden von mindestens 12 Milliarden Euro verursacht. Allein in Passau in Bayern rechnet man mit 200 Millionen Euro. In den meisten anderen Hochwassergebieten kann noch nicht einmal ansatzweise eine Summe beziffert werden.

Karte der Hochwassergebiete (Grafik: DW)
Vom Hochwasser waren vor allem der Süden und der Nordosten Deutschlands betroffenBild: DW

Immerhin acht Milliarden Euro wollen Bund und Länder übernehmen: Am Mittwoch (19.06.2013) einigten sie sich darauf, den vom Hochwasser besonders betroffenen Gebieten mit diesem Betrag zu helfen. Finanziert werden soll dies teils mit neuen Schulden, teils über den "Fonds Deutsche Einheit". Der Bund trage die Kosten für die Wiederherstellung von Autobahnen und Bundesstraßen. Den Rest der Kosten teilen sich Bund und Länder.

Auf großzügige Hilfe hofft auch der Landkreis Stendal. Dort war bei Fischbeck ein Elbdeich gebrochen. Weite Teile des Hinterlandes, auch weit ab des Ufers, versanken in den Fluten. In einer spektakulären Aktion wurde versucht, die Lücke im Deich durch drei versenkte Lastkähne zu schließen. "Wir haben diesen Deichbruch dann weiter mit Sandsäcken verfüllt, sodass die Wassermenge geringer geworden ist", sagte Landrat Carsten Wulfänger im Gespräch mit der DW. "Dadurch können wir die Straßen wieder herrichten, und das ist eine von vier Voraussetzungen, um die Menschen zurück in ihre Häuser kriegen: Sie brauchen Straßen, Wasser, Abwasser und Strom." Über die Schadenshöhe in seinem Landkreis könne er noch nicht einmal ansatzweise Auskunft geben, sagte Wulfänger.

Hubschrauber bringt Sandsäcke zur Deichbruchstelle der Elbe bei Fischbeck (Foto: Ronny Hartmann/AFP)
Deichbruch an der Elbe bei Fischbeck: Weite Teile des Hinterlandes unter WasserBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Des Einen Freud, des Andern Leid

Wegen des Deichbruchs bei Fischbeck hatte sich die Lage im etwas weiter flussabwärts gelegenen Wittenberge wesentlich weniger dramatisch entwickelt als befürchtet. Zwar liege der Pegelstand mit 6,30 Meter immer noch 20 Zentimeter über der Marke, bis zu der Schifffahrt auf der Elbe möglich sei. Zudem seien zahlreiche Sportplätze und Bootshäuser Opfer der Wassermassen geworden und mehrere Unternehmen hätten die Produktion stoppen müssen, berichtet Oberbürgermeister Oliver Hermann. Doch alles in allem sei die Stadt mit einem blauen Auge davongekommen.

"Das Land Brandenburg hat die Deiche bei uns gut ausgebaut, die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz hat geklappt und wir hatten dank des guten Wetters sehr viele freiwillige Helfer." Besonders beeindruckt hat ihn eine Initiative von Jugendlichen, die sich unter dem Motto "Helfen ist cool" im Internet zum Sandsack-Einsatz verabredet hatten.

Die Bevölkerung mobilisieren

Dass es auch anders kommen kann, haben die Wittenberger beim Winterhochwasser 2011 gemerkt, erinnert sich der Oberbürgermeister: "Da war es mit der Mobilisierung nicht so stark. Es war mehr so das Gefühl in der Bevölkerung, das machen die Einsatzkräfte schon." Und fügt selbstkritisch hinzu: "Das haben wir denen in den vergangenen Jahren auch so vermittelt, da liegt der Schwarze Peter auch ein bisschen bei uns selbst, weil wir doch recht routiniert daran gegangen sind."

Aufräumarbeiten in Passau (Foto: dpa)
Passau nach der Flut: Beim Aufräumen nach dem Hochwasser packen alle mit anBild: picture-alliance/dpa

Genau an diesem Punkt muss in Deutschland noch viel getan werden, sagt die Geografin Gabriele Hufschmidt von der Universität Bonn. Es müsse ein Risikobewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden. Es könne nicht sein, dass viele Bewohner der Hochwassergebiete davon überrascht seien, wenn tatsächlich der Katastrophenfall eintritt. Katastrophenvorsorge sei ein Bildungsauftrag, so die Dozentin: "Die Menschen müssen noch viel aktiver und intensiver als bisher aufgeklärt werden und bescheid wissen. Die Information über die Gefahr ist eigentlich ein Recht, das sie einfordern müssen von ihren Politikern."

Deshalb sei im Masterstudiengang "Katastrophenvorsorge und Katastrophenmanagement" an der Uni Bonn Pädagogik ein ebenso wichtiges Thema wie Hochwasserschutz, Katastrophenabwehr, Versicherungsfragen und bauliche Maßnahmen gegen Hochwasser. Der Geografin Hufschmidt ist es wichtig, dass die Teilnehmer - alle schon erfahrene Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk oder anderen Institutionen - erkennen, wie wichtig die Vernetzung der einzelnen Spezialgebiete ist.

Segen und Fluch der geografischen Lage

In der Stadt Hitzacker in Niedersachsen ist das Hochwasser der Elbe dank einer mobilen Spundwand in diesem Jahr nicht in den historischen Kern vorgedrungen. Doch das sei nur zum Teil ein Verdienst der Verantwortlichen, betont der Leiter des Ordnungsamtes der Samtgemeinde Elbtalaue, Mathias Heinrich: "Wir haben Glück gehabt. Und wir haben die Vorlaufzeit von zehn Tagen optimal genutzt, konnten die Pegel beobachten und die Deiche erhöhen, wo wir Schlimmes befürchten mussten."

Matthias Berger, Oberbürgermeister von Grimma (Foto: dpa)
Grimmas Oberbürgermeister Berger: "Wir sind deutscher Aufräum-Meister!"Bild: picture-alliance/dpa

Das ist in Städten wie Grimma und Passau völlig anders, die beide an schnell fließenden Flüssen liegen: Der Inn und die Donau in Passau und die beiden Quellflüsse der Mulde in Grimma lassen der Bevölkerung nach heftigen Regenfällen nur eine Vorwarnzeit von wenigen Stunden. "Da baut man keine Spundwand mehr", sagt Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger. Und trotz aller Erschöpfung nach dem wochenlangen Kampf gegen das Hochwasser blitzt dann doch noch ein bisschen Galgenhumor auf - und vielleicht eine neue Geschäftsidee: "Wenn irgendwo Hochwasser ist: wir kommen gern und bringen die Verwaltung und ein paar Bürger mit, denn wir sind jetzt wirklich krisenerprobt."