Nach der Flut: Wohin mit dem Müll?
29. Juli 2021Als das Wasser nach den Überschwemmungen Mitte Juli zurückgewichen war, türmten sich Müllberge auf, die die Straßen von Ahrweiler blockierten. Die Anwohner räumten zerstörte und verschmutzte Möbel und Elektrogeräte aus ihren Häusern. Kühlschränke voller Lebensmittel, Waschmaschinen, Sofas sowie Bücher, Fotoalben und Schallplatten stapelten sich vor den Häusern - alles bedeckt mit einer dicken Schicht öligen Schlamms.
Zwei Wochen später sind die Straßen des Stadtteils von Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz leergeräumt. Der architektonische Charme der idyllischen Fachwerkhäuser kommt langsam wieder zum Vorschein.
Abfallentsorgungsunternehmen hatten sofort begonnen, die Straßen vom Sperrmüll zu befreien. Zum einen wegen der Hygiene-Risiken, zum anderen um die wichtigsten Zufahrtswege für die Helfer freizuräumen.
Für manchen Anwohner war die Entsorgung auch eine Voraussetzung dafür, die Katastrophe zu verarbeiten. "Es ist eine große Erleichterung, dass der Müll abtransportiert worden ist", sagt die Anwohnerin Frau Kroll (die ihren vollen Namen nicht angeben möchte, Anmerkung der Redaktion).
Das Geschehene vergessen
Erst vor einer Woche, berichtet sie, stand noch ein Kühlschrank vor dem Haus ihrer Eltern. Die Hinweis-Magnete hafteten noch am Kühlschrank und irgendjemand hatte auf die Tür "Gott sei Dank, wir leben noch" geschrieben.
"Jetzt müssen wir nicht mehr jeden Tag an den Sachen vorbeigehen und sehen, was wir verloren haben. Wir müssen nicht immer wieder hinschauen und uns fragen, ob da vielleicht doch noch was zu retten ist. Wir können jetzt endlich mit dem Geschehenen abschließen."
Obwohl die Straßen fast geräumt sind, ist der Abfall noch nicht endgültig entsorgt. Das meiste liegt am Straßenrand am Ortseingang. Wohin mit diesen nie dagewesenen Mengen an Müll?
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) warnt, dass die Berge von Elektroschrott auf festem Untergrund wie Beton gelagert werden müssen, damit auslaufende giftige Stoffe nicht über das Erdreich in das Grundwasser einsickern.
Mareike Hoffmann, Projektleiterin für Recyclingmanagement bei der DUH, sagt, dass die großen Mengen kaputter Gegenstände in den Überschwemmungsgebieten die Umwelt in mehrfacher Hinsicht belasteten. "Um unsere Ressourcen zu schonen, sollten wir funktionstüchtige Dinge - wie Fahrräder, Küchengeräte, Metallmöbel - reinigen, reparieren und wiederverwenden, anstatt sie wegzuwerfen und durch neue Geräte zu ersetzen", erklärt sie.
In der Not gemeinsam helfen
Wie so vieles in den Überschwemmungsgebieten, war auch die Entsorgung Teamarbeit: Lokale Baufirmen, Landwirte und die Feuerwehr haben die ortsansässigen Abfallunternehmen von Anfang an unterstützt.
Das Gelände des kommunalen Entsorgungsunternehmens RSAG war ebenfalls überschwemmt worden. "Anfangs konnten wir keinen Müll abholen. Unsere Fahrzeuge steckten im Wasser und Schlamm fest, unsere Deponien waren auch überflutet," erzählt Sprecher Christof Gerharz.
Die Müllfahrzeuge sind nun wieder im Einsatz und holen tausende Tonnen Abfall aus den Orten im Rhein-Sieg-Kreis. Zusätzliche Helfer sind im Einsatz, die Mitarbeiter machen Überstunden und fahren auch am Wochenende raus.
Aber es scheint kein Ende in Sicht. Die RSAG rechnet mit einer weiteren Sperrmüll-Welle. "Manche Bewohner kehren erst jetzt zurück und fangen mit dem Ausräumen an. Und dann liegt ja bislang noch alles dezentral in improvisierten Deponien überall in der Region. Wir können noch gar nicht sagen, wie lange wir brauchen, um das alles abzutransportieren", erklärt Gerharz.
Gestank liegt in der Luft
Ralf Schäfer betreibt eine Kompostierungsanlage im nahegelegenen Müttinghoven. Diese hat er jetzt vorübergehend bereitgestellt, um die umliegenden Deponien zu entlasten.
Der Gestank von modrigem Wasser liegt in der Luft. "Normalerweise ist die Geruchsbelästigung durch den Kompost hier kein Problem. Aber diesen Müll aus den Überschwemmungsgebieten kann man im ganzen Umkreis riechen", stellt Schäfer fest.
Unter normalen Umständen würde man den Müll zuerst trennen. "Aber bei den Mengen, die wir in der letzten Woche bekommen haben, können wir nicht mehr tun als zerkleinern und verbrennen", sagt André Lotz, Geschäftsführer der Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln (AVG).
"Wir holen natürlich Metallschrott heraus und auch Holz, das noch zu gebrauchen ist. Aber das Problem ist, dass das meiste einfach zu nass ist." Einen Teil versuche man zu trocknen und wiederzuverwerten, aber der gesamte Entsorgungsprozess werde noch etliche Monate dauern, schätzt Lotz.
"Die Anlagen sind einfach nicht für solche Mengen ausgelegt. Wir können im Moment auch nicht abschätzen, wie viel noch kommt", erklärt er.
Illegale Schrottsammler unterwegs
Die meisten freiwilligen Helfer sind in der Region hochwillkommen. Vor viele Häusern haben die Bewohner Banner mit Dankesbotschaften gehängt. Doch die Polizei hat ein Auge auf solche, die vorgeben helfen zu wollen, aber eigentlich nur darauf aus sind, sich zu bereichern.
"Wir haben schon zehn Anzeigen erstellt," berichtet Marcel Dilling, Polizeihauptkommissar im Märkischen Kreis. "Da ging es um Diebstahl von Elektrogeräten und Werkzeug, die zum Trocknen vor die Häuser gestellt worden waren."
Die wenigsten Schrottsammler könnten eine Genehmigung vorweisen, sagt er. Er stellt aber fest, dass die Anzahl der illegalen Schrottsammler deutlich zurückgegangen ist, seitdem die Polizeipräsenz in der Region verstärkt wurde.
Nun ist es Zeit, nach vorne zu schauen, meinen viele Anwohner. "Als der erste Abfallberg weg war, fühlte es sich an wie Weihnachten", erinnert sich Carmen Peitz-von-der-Eichen in Ahrweiler.
Sie und ihr Partner haben nun die nächste Herausforderung im Blick: "Wir haben schon mal alles durchgesehen, was wir retten konnten. Wenn es an den Wiederaufbau geht, wird Werkzeug sicher Mangelware sein. Da können wir jeden Hammer und jede Säge gut gebrauchen."