UEFA droht England und Russland EM-Aus an
12. Juni 2016Ein Fan in Lebensgefahr, hässliche Jagdszenen in Marseille und Nizza - statt der im Vorfeld so gefürchteten Terroristen haben Hooligans Frankreich am ersten EM-Wochenende mit wahren Gewaltorgien in Angst und Schrecken versetzt. Die UEFA zeigte dem englischen und dem russischen Fußball-Verband daraufhin die Gelbe Karte und drohte ungewöhnlich deutlich damit, beide Mannschaften von der EM auszuschließen.
Das Exekutivkomitee werde von Strafen "inklusive der möglichen Disqualifikation vom Turnier" nicht zurückschrecken, sollten sich Szenen wie am Samstag wiederholen, teilte die UEFA mit. Zuvor hatte das Disziplinarkomitee bereits ein Verfahren gegen den russischen Verband aufgenommen. Russische Fans hatten kurz vor Ende der Partie im Stade Vélodrome in Marseille die neuen schweren Krawalle angezettelt. Laut Augenzeugen gingen sie auf englische Zuschauer los, die in benachbarten Blöcken saßen und prügelten wild auf diese ein. Die Angegriffenen mussten über Zäune bis in den Innenraum der Arena flüchten.
In früheren Fällen hatte die UEFA Geldstrafen für Erstfälle verhängt. Russische Fans waren allerdings bereits bei der EM 2012 in Polen mehrfach negativ aufgefallen. 90.000 Sicherheitskräfte hat Frankreich angesichts der Fußball-Europameisterschaft mobilisiert - eigentlich, um mögliche Terroranschläge abzuwehren. Nach den Vorfällen sollen die Sicherheitsvorkehrungen weiter verstärkt werden, auch für das Spiel von Deutschland gegen die Ukraine.
Regierung verhängt Alkoholverbot
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve nannte das Verhalten der Fans "barbarisch" und kündigte ein Alkoholverbot an. Er erklärte, er habe die Austragungsstädte dazu aufgefordert, den Verkauf von Alkohol an besonders "sensiblen Orten" wie beispielsweise den Fanzonen, zu verbieten, berichtet die französische Nachrichtenagentur AFP.
Deutsche Hooligans randalieren in Lille
Im Vorfeld des deutschen Auftaktspiels gegen die Ukraine kam es im Stadtzentrum von Lille ebenfalls zu Ausschreitungen. Mehr als 50 deutsche Hooligans griffen in der Nähe des Bahnhofs ukrainische Fans an, wie der stellvertretende Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), Volker Goll, dem Sportinformationsdienst bestätigte. Augenzeugenberichten zufolge sollen Flaschen, Stühle und Rauchbomben geflogen sein. Auch rechtsradikale Parolen und eine Reichstagsflagge soll es gegeben haben. Aktuell sollen sich rund 150 polizeibekannte Gewalttäter aus Deutschland in Lille befinden.
Die Polizeipräfektur in Marseille, wo ein Brite lebensgefährlich verletzt wurde, meldete an diesem Sonntag insgesamt 35 Verletzte und acht Festnahmen. Unter den Festgenommenen sind auch ein Deutscher und ein Österreicher.
Am Dienstag UEFA-Urteilsspruch
Am kommenden Dienstag will die UEFA ihr Urteil gegen den russischen Sportverband fällen. Ermittelt wird danach "wegen der Aggressionen russischer Zuschauer im Stadion, rassistischen Verhaltens und des Abbrennens von Feuerwerkskörpern".
Die UEFA räumte zugleich ein, es habe bei der Partie in Marseille Probleme bei der Trennung der Fans beider Mannschaften gegeben. Daher solle nun in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden der Einsatz von Sicherheitskräften in den Arenen erhöht werden. Schon an diesem Sonntag sollen zusätzliche Ordner bei allen Spielen eingesetzt werden.
Russland erwartet Geldstrafe
Der russische Sportminister Witali Mutko rechnet nach eigenen Angaben mit einer Geldstrafe. Gleichzeitig beklagte er unzureichende Sicherheitsmaßnahmen während des Spiels gegen die Engländer. So habe es etwa keine Fangnetze zum Schutz vor Feuerwerkskörpern gegeben. "Man muss solche Spiele gut organisieren und die Fans (im Stadion) trennen", fügte er hinzu.
Die französischen Behörden verteidigten dagegen ihr bisheriges Vorgehen. Die "schnelle Reaktion, die Beherrschung und die Entschlossenheit der Polizisten" hätten dafür gesorgt, dass noch viel schlimmere Zusammenstöße verhindert worden seien, erklärte der Polizeipräfekt von Marseille, Laurent Nunez. Fakt ist, der Imageschaden für die EM ist bereits jetzt immens. Zumal weitere Krawalle befürchtet werden. In Paris wurde die Sonntagspartie zwischen Kroaten und Türken mit Sorge erwartet. Die Sicherheitskräfte wurden rund um das Spiel auf 1500 Mann aufgestockt.
se/rk/kle (afp, dpa, ap, sid)