"Der schwedische Fußball ist in Trauer"
17. Oktober 2023Der Fußball wurde zur Nebensache. "Wir können nicht Fußball spielen, wenn so etwas passiert. Wir und Belgien waren uns völlig einig, dass wir nicht weiterspielen werden", sagte der schwedische Nationaltrainer Janne Andersson.
Und er ergänzte: "Es ist völlig widerlich." In der Halbzeit des EM-Qualifikationsspiels zwischen Belgien und Schweden waren Andersson und seine Spieler darüber informiert worden, dass ein Angreifer rund fünf Kilometer vom Stadion entfernt zwei schwedische Fans erschossen und eine weitere Person verletzt hatte.
Die Verantwortlichen des belgischen Fußballverbands hatten zehn Minuten vor dem Anpfiff von den tödlichen Schüssen erfahren und die Partie trotzdem anpfeifen lassen, weil, so Verbandschef Manu Leroy, "das Stadion der 'sicherste' Ort für die Fans war". Nach 45 Minuten war die Partie dann beim Stand von 1:1 abgebrochen worden.
Schwedens Kapitän Victor Lindelöf wies darauf hin, dass Belgien bereits vor der Partie für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland qualifiziert war und seine eigene Mannschaft keine Chance mehr auf ein EM-Ticket hatte. Es habe daher überhaupt keinen Grund gegeben, das Spiel um jeden Preis fortzusetzen.
"Wir wollten hier sofort Kontakt zu Familie und Freunden aufnehmen, um zu sehen, ob es ihnen gut geht", sagte der Abwehrspieler von Manchester United.
Rückflug des Teams noch in der Nacht
Die schwedische Mannschaft wurde von einer Polizeieskorte zum Flughafen begleitet, von wo aus das Team noch in der Nacht mit einem Charterflugzeug nach Schweden zurückgebracht wurde. Die rund 35.000 Menschen im Stadion mussten noch zwei Stunden ausharren, ehe die Evakuierung begann.
Die schwedischen Fußball-Fans wurden in der Nacht zu ihren Hotels eskortiert. Ihnen wurde nahegelegt, keine schwedischen Flaggen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Gleichzeitig erhielten sie das Angebot, bei ihrer Rückreise zum Flughafen Polizeischutz zu erhalten.
"Der schwedische Fußball ist in Trauer", schrieb der schwedische Fußballverband SFF am Dienstag auf der Online-Plattform X. Man habe "auf tragische Weise zwei blau-gelbe Fans verloren, die vor Ort in Brüssel waren, um etwas zu tun, das eigentlich selbstverständlich sein sollte – unsere schwedische Nationalmannschaft im blau-gelben Nationalmannschaftstrikot zu unterstützen".
Mutmaßlicher Täter getötet
Am Dienstagmorgen gab die belgische Innenministerin Annelis Verlinden bekannt, dass Polizisten den mutmaßlichen Täter in der Brüsseler Gemeinde Schaerbeek gestellt und niedergeschossen hätten. Bei ihm sei die Waffe gefunden worden, aus der am Vorabend die tödlichen Schüsse abgefeuert worden seien. "Der Täter ist identifiziert und tot", teilte Verlinden später auf der Online-Plattform X mit.
Bei dem Mann handelt es sich nach Angaben der Regierung um einen 45 Jahre alten Tunesier, der vor vier Jahren in Belgien Asyl beantragt hatte. Der Antrag sei abgelehnt worden, hieß es.
Die Ermittler vermuten ein islamistisches Motiv hinter dem Angriff des Mannes. In Schweden hatte es in den vergangenen Monaten genehmigte Demonstrationen gegeben, bei denen Koran-Bücher verbrannt worden waren. Das hatte zu einem Aufschrei der Empörung in der islamischen Welt geführt.
Nach dem Anschlag in Brüssel erhöhte Frankreich die Sicherheitsvorkehrungen für das Testländerspiel der "Equipe Tricolore" an diesem Dienstagabend gegen Schottland. Die Zahl der eingesetzten Polizisten für das Fußballspiel in Lille nahe der Grenze zu Belgien werde verdoppelt, kündigte Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin an.
Die UEFA beschloss, dass vor allen sieben EM-Qualifikationsspielen an diesem Dienstag der beiden in Brüssel getöteten schwedischen Fans mit einer Schweigeminute gedacht wird.
sn/jk (dpa, sid, afp, rtr)