Experiment und Komödie
8. Oktober 2007Noch bevor die jungen Bilderstürmer des "Oberhausener Manifests" 1962 das deutsche Kino wachrüttelten, deuteten einzelne Filme in den 1950er Jahren an, das es auch ein anderes deutsches Kino gab. Die Komödien mit dem Schauspieler Curt Goetz, die experimentellen Filme des Arztes Ottomar Domnick und - in Ansätzen - die Soldatenfilme, die sich dem deutschen Trauma Nationalsozialismus widmeten, waren singuläre Lichtblicke im Kinomuff der 1950er.
"Jonas" von Ottomar Domnick (1957)
Eine Perle des deutschen 1950er-Jahre-Kinos. Ein furioser Blick in die Psyche eines neurotischen Charakters. Der großartige und früh verstorbene Robert Graf spielt einen vom Schuldtrauma zerfressenen Großstadtbürger in der jungen Bundesrepublik. Der Schauplatz Stuttgart wird zur anonymen Bedrohungskulisse des Wirtschaftwunderlandes BRD mit Anklängen bei George Orwell, Kafka und dem deutschen Kino-Expressionismus der 1920er Jahre: "Jonas" nahm viel von dem vorweg, was später Alexander Kluge und die anderen intellektuellen Köpfe des Neuen Deutschen Films in den 1960er Jahren erst "erfanden".
Curt Goetz: "Das Haus in Montevideo" und "Hokuspokus" (1951/1953)
Curt Goetz war Schauspieler und Regisseur, Drehbuch- und Prosaautor ein Mann der Bühne ebenso wie des Films und des Fernsehens. Der gebürtige Mainzer, Sohn eines Schweizer Kaufmanns, verfügte über das in Deutschland seltene Talent auf eine leichte, aber nie platte Art und Weise zu unterhalten. Er schrieb präzise Dialoge und gewitzte Drehbücher, spielte die Rollen nicht selten selbst vor der Kamera. In "Das Haus in Montevideo" verkörpert er umwerfend einen Professor, der seinen eigenen konservativ-bürgerlichen Moralvorstellungen nicht standhält. In "Hokuspokus" verblüfft er in seiner letzten Filmrolle als einfallsreicher Zirkuskünstler wie als angriffslustiger Jurist. Von Curt Goetz liegt in der "Edition Filmmuseen" auch noch sein Debüt als Filmregisseur vor.
Unruhige Nacht (1958)
Ein Film über Schuld und Gewissensqualen, über Verantwortung und Zivilcourage. Regisseur Falk Harnack erzählt die Geschichte eines jungen zum Tode verurteilten Obergefreiten (Hans Jörg Felmy) und eines Militärgeistlichen (Bernhard Wicki), der diesen kurz vor der Hinrichtung aufsucht. Harnacks Inszenierung wirkt ein wenig steif, die Dialoge sind manchmal hölzern. Und doch ist "Unruhige Nacht", wie einige andere Filme der Zeit mit Soldatenthematik, bemüht um eine Verarbeitung des deutschen Traumas: "Nach der Novelle von Albrecht Goes gestaltete Harnack einen nachdenklichen Antikriegsfilm mit leisen Tönen und einer differenzierten Personencharakteristik." (Reclams Filmlexikon)