Nachterstedt wird Katastrophengebiet
19. Juli 2009Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) informierte sich am Sonntag (19.07.2009) unter anderem auf einem Rundflug über die Lage vor Ort. Nach Angaben Böhmers soll die Bundeswehr bei der Suche nach den vermissten drei Bewohnern des verschütteten Doppelhauses helfen. Bisher kann die Unglücksstelle wegen anhaltender Einsturzgefahr am mehrere hundert Meter breiten Krater nicht betreten werden. Die Chancen, die Vermissten lebend zu finden, seien denkbar gering, hieß es auf einer Pressekonferenz mit Böhmer.
Zwei Vermisste melden sich
Zwei ursprünglich vermisste junge Männer meldeten sich am Sonntag bei der Polizei. Der 22-jährige Sohn des betroffenen Ehepaars gab sich an einem Absperrgitter in Nachterstedt zu erkennen. Der junge Mann ist taubstumm. Er wurde mit Hilfe eines Gebärdendolmetschers über das Geschehen informiert. Nach Polizeiangaben meldete sich auch der Bruder. Über seinen Aufenthaltsort war zunächst ebenfalls gerätselt worden.
Die 48-jährige Mutter und der etwa 50 Jahre alte Vater der jungen Männer schliefen zur Zeit des Erdrutsches in dem Doppelhaus, das bei dem Unglück völlig im Boden am Rand des Concordia-Sees verschwand. Zudem stürzte die Hälfte eines Mehrfamilienhauses ein, dessen Bewohner im Urlaub waren. Auch eine Straße und eine Aussichtsplattform verschwanden im See. Insgesamt rutschte eine etwa sechs Fußballfelder große Fläche in die Tiefe. Rund 40 Bewohner aus umliegenden Häusern wurden bis auf weiteres in anderen Gebäuden untergebracht.
Wer trägt die Verantwortung?
Mit einer genauen Klärung der Unfallursache wird erst in einigen Wochen gerechnet. Möglicherweise haben alte Bergbaustollen den Erdrutsch verursacht. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) schließt dies jedenfalls nicht aus. LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber wies darauf hin, dass in der Region bereits vor mehr als 100 Jahren Tiefbergbau betrieben wurde. "Möglicherweise gibt es alte Schächte, die nicht entdeckt oder kartiert sind." Die Staatsanwaltschaft Magdeburg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts auf fahrlässige Tötung ein.
Experten des Landesamts für Geologie und Bergwesen sagten, die Ursache des Erdrutsches sei noch unklar. Es gebe verschiedene Anhaltspunkte für mögliche Erklärungen, darüber wolle man aber nicht spekulieren.
Nachterstedt ist eine Gemeinde im nordöstlichen Harzvorland. Zu DDR-Zeiten wurde in dieser Region Braunkohle abgebaut. Der Braunkohle-Abbau wurde nach Angaben der Kreisverwaltung des Salzlandkreises im Jahr 1991 eingestellt. Das Fördergebiet wurde geflutet. Aus dem Tagebau-Restloch wurde der Concordia-See, der sich zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt hat. (mas/gri/dpa/afp/ap)