1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nachwuchs

30. April 2004

Ideen finden woanders statt, könnte man meinen, jedenfalls nicht in Gräfenhainichen, einem kleinen Ort bei Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Doch in der tiefen Provinz hat ein junger Bastler viele schlaue Ideen.

https://p.dw.com/p/4y91
Ausgezeichneter Jungforscher: Uwe Treske, 18Bild: DW

Das 8.000-Einwohner-Städtchen hat seine besten Zeiten hinter sich. Einst wurde von hier aus die DDR mit Braunkohle aus dem nahegelegenen Tagebau beliefert. Nach der Wende wurden die unrentablen Gruben geschlossen und mit Wasser geflutet. Seitdem rosten die riesigen Kohle-Bagger vor sich hin. Die Menschen wandern ab, jeder Vierte ist hier arbeitslos.

Der 18-jährige Uwe Treske hat das Beste aus der Situation gemacht. Er ist der Beste geworden - in einer einfachen Umgebung mit einfachen Mitteln. Im vergangenen Jahr hat Uwe, nach Regional- und Bundespreisen, den Nachwuchsforscher-Preis der Europäischen Union im Bereich Physik gewonnen: Den "Young European Scientists Award", eine Art Champions League für Nachwuchsforscher.

Mit Unterstützung seiner Schule hat er ein Rastertunnelmikroskop nachgebaut, ein unscheinbares Gerät aus Computer-Bauteilen, Styropor und Wolframdraht. Damit gelingt es, Oberflächen bis in den Nano-Bereich abzutasten. Ein unschätzbares Messinstrument, wenn es darum geht Materialien zu optimieren und deren Strukturen erkennbar zu machen, z.B. von Mini-Computer-Chips.

Uwe nennt es "Low-Cost-Rastertunnelmikroskop". Denn ein professionelles Rastertunnelmikroskop kostet mehrere hunderttausend Euro, die improvisierte Version von Uwe hingegen gerade mal 50 Euro. Schließlich sollen sich auch andere Schulen einmal so ein Instrument leisten können, sagt Uwe. Ihm sei eben auch nicht alles gegeben gewesen. Die Einzelteile für das Mikroskop hat sich Uwe zusammengesucht – und dafür schon mal Muttis Eierbecher aus der Küche mitgehen lassen. Hervorragend geeignet um Wolframspitzen zu ätzen ...

Das Mikroskop ist nicht Uwes einziges Projekt. Gemeinsam mit seinem Freund Matze hat er an alten GameBoys rumgeschraubt, die ihm bei einer Aufräumaktion im Kinderzimmer in die Hände gefallen waren. Die GameBoys sind umfunktioniert zu Lernmaschinen. Statt Tetris und Co. können Grundschüler mit Buchstaben spielen und erste Rechenschritte üben. In Zukunft könnte es in Gräfenhainichen damit heißen: GameBoys raus, wir schreiben eine Klassenarbeit. Schon jetzt ist die Nachfrage riesig und die Kleinen reißen sich um die Spiele.

Und das Basteln geht weiter: Uwe und Matze schrauben, löten und stecken bereits ihr nächstes Projekt zusammen. Außerirdisches entsteht in Uwes Kinderstube: ein Marsmobil aus Lego-Steinen. Die Idee haben sich die beiden von den europäischen und amerikanischen Marsrobotern abgeguckt.

Ihr Marsmobil soll einen vorausberechneten Weg abfahren können, der in einem GameBoy gespeichert ist. Auf sich allein gestellt, soll das Gerät künftig anhand von Tast- und Lichtsensoren Hindernisse unterwegs erkennen und ihnen ausweichen können. Ein Kinderspiel, könnte man meinen, wenn Uwe und Matze davon erzählen und dabei die Schaltzeichnungen mit ihren Fingern abfahren.

Mit der GameBoy-Mars-Mission bewerben sich die beiden schon für den nächsten europäischen Jungforscherwettbewerb. Vorerst aber darf es nur ein Hobby bleiben. Nintendo könnte schließlich, um seine Lizenzen besorgt, nach Gräfenhainichen kommen. Vorausgesetzt der Weltkonzern findet es auf der Karte.