Scholz bekräftigt Unterstützung für Israel
Veröffentlicht 26. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 26. Oktober 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Scholz will klare Linie der EU im Nahost-Konflikt
- WHO fordert sofortigen Zugang zu Geiseln
- Russischer und US-Entwurf für UN-Resolution gescheitert
- Israelische Armee dringt kurzzeitig mit Panzern in den Gazastreifen ein
- Erneuter Beschuss in Grenzregion zwischen Israel und Libanon
Er habe "keinen Zweifel", dass die israelische Armee die Regeln des Völkerrechts beachte. Bei dem EU-Gipfel gehe es "darum, dass wir gemeinsam nochmal deutlich machen, dass wir Israel unterstützen bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den furchtbaren Angriff der Hamas", betonte Scholz.
Er ergänzte, die EU setze sich für die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der radikalislamischen Hamas ein und für humanitäre Unterstützung der Bewohner des Gazastreifens, die selbst "Opfer der Hamas" seien. "Deshalb ist es wichtig, dass wir diese humanitäre Hilfe voranbringen", betonte der Kanzler.
Allerdings sucht die Europäische Union nach wie vor nach einer einheitlichen Linie im Nahost-Konflikt. Mitgliedsländer wie Belgien kritisieren Israel wegen seines Vorgehens im Gazastreifen. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel betonte bei dem bis Freitag andauernden Gipfel, Israel müsse "im Einklang mit dem internationalen Recht" handeln.
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Vor dem Gipfeltreffen herrschte Uneinigkeit darüber, welche Begriffe die EU wählt, um Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu fordern. Michel hatte sich in einem nicht mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Entwurf für die Gipfelerklärung für eine "humanitäre Pause" ausgesprochen und damit Kritik Israel-naher EU-Staaten wie Deutschland auf sich gezogen.
Deutschland und Länder wie Österreich und Tschechien sahen die Formulierung "humanitäre Pause" skeptisch, da sie zu sehr nach "Waffenruhe" klinge. In einem aktualisierten Erklärungsentwurf war dann von "humanitären Korridoren und Pausen" die Rede, welche die EU-Staats- und Regierungschefs fordern würden.
WHO in Sorge um Geiseln
Die 224 von der Terrormiliz Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln brauchen laut der Weltgesundheitsorganisation WHO dringend medizinische Versorgung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz solle sofort Zugang zu den aus Israel entführten Menschen erhalten, forderte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwochabend. Die UN-Gesundheitsorganisation stehe bereit, das Rote Kreuz bei der medizinischen Versorgung zu unterstützen.
Tedros forderte außerdem erneut die sofortige Freilassung aller Verschleppten. Viele der Geiseln litten "an Vorerkrankungen, die dringend und andauernd behandelt werden müssen". Tedros wies auch auf das psychologische Trauma der Opfer und ihrer Familien hin. Der Generaldirektor der WHO hatte sich am Mittwoch mit Angehörigen von Geiseln getroffen.
Jüngsten Angaben des israelischen Militärs zufolge hat die Hamas im Zuge des Terrorangriffs am 7. Oktober insgesamt 228 Menschen aus Israel verschleppt. Vier Frauen wurden in den vergangenen Tagen freigelassen. Nach israelischen Informationen sind unter den Geiseln Bürger von 25 Staaten, darunter auch Deutsche.
Die militant-islamistische Hamas herrscht seit 2007 im Gaza-Streifen. Sie wird von der deutschen Regierung, der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und einigen arabischen Staaten als terroristische Organisation eingestuft.
Russischer und US-Entwurf für UN-Resolution gescheitert
Im Konflikt zwischen Israel und der Hamas kann sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiterhin auf keine Resolution mit humanitärem Fokus einigen. Sowohl ein Entwurf der Vereinigten Staaten als auch eine Beschlussvorlage Russlands fielen am Mittwoch vor dem mächtigsten UN-Gremium in New York durch.
Der Resolutionsentwurf der mit Israel verbündeten USA sieht "humanitäre Pausen" in dem Krieg vor, um Hilfsgüter in den blockierten Gazastreifen zu lassen, und unterstützte zudem das Recht "aller Staaten" auf Selbstverteidigung unter Einhaltung des Völkerrechts. Eine vollständige Waffenruhe wird darin nicht gefordert. Der Text wurde durch Vetos von Russland und China verhindert.
Die Beschlussvorlage Russlands hingegen strebt eine "sofortige, dauerhafte und vollständig eingehaltene humanitäre Waffenruhe" an und verurteilt "jegliche Gewalt und Feindseligkeiten gegen Zivilisten". Dieser Vorschlag erhielt im höchsten UN-Gremium nur vier Ja-Stimmen.
Der UN-Sicherheitsrat hatte sich bislang nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können. Vergangene Woche scheiterte ein von vielen Ländern befürworteter Resolutionsentwurf Brasiliens mit Fokus auf humanitäre Hilfe am Veto der USA. Dies brachte den Vereinigten Staaten den Vorwurf doppelter Standards ihrer Außenpolitik ein. Die Vereinigten Staaten schützten ihren Verbündeten Israel in der Vergangenheit immer wieder vor unliebsamen Resolutionen.
Auch Russland hatte bereits einen Text vorgelegt, der aber nur fünf Ja-Stimmen erhielt. Eine Annahme benötigt mindestens neun Ja-Stimmen der 15 Mitglieder, zudem darf es kein Veto geben. China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA haben Veto-Recht. Eine im UN-Sicherheitsrat angenommene Resolution hat völkerrechtlich bindende Wirkung.
UN-Vollversammlung berät
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen beschäftigt sich bei einer Sondersitzung mit der Situation im Gazastreifen. Das Treffen begann am Donnerstag in New York mit Ansprachen der diplomatischen Vertreter Israels und der Palästinenser. Auch Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian war überraschend zu der Sitzung angereist.
Insgesamt waren mehr als 100 Redner und Rednerinnen angekündigt, die Sitzung könnte sich bis spät in den Freitag ziehen. Zum Abschluss des Treffens sollte über einen Resolutionsentwurf abgestimmt werden, den Jordanien eingebracht hatte.
Israels Armee stößt mit Panzern vor
Israelische Bodentruppen sind in der Nacht zum Donnerstag ein weiteres Mal in den Gazastreifen eingedrungen, um Stellungen der Hamas zu attackieren. Dabei seien "zahlreiche Terroristen, terroristische Infrastruktur und Abschussrampen für Panzerabwehrraketen" aufgespürt und angegriffen worden, teilte die Armee mit.
Der "gezielte Angriff" mit Panzern im nördlichen Gazastreifen sei Teil der "Vorbereitungen für die nächsten Kampfphasen", hieß es weiter. Nach Abschluss der Operation hätten die Soldaten das Gebiet verlassen. Israels Militär hatte in den vergangenen zweieinhalb Wochen bereits mehrere begrenzte Vorstöße in den Gazastreifen unternommen.
Erneuter Beschuss in Grenzregion zum Libanon
An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon ist es am Mittwochabend erneut zu gegenseitigem Beschuss gekommen. Israelische Kampfjets hätten "eine Reihe von militärischen Zielen der Hisbollah im Libanon angegriffen", teilte das israelische Militär mit. Die Angriffe hätten sich "gegen terroristische Infrastrukturen, darunter ein Militärgelände und Beobachtungsposten" gerichtet.
Am Abend sei zudem eine Rakete abgefangen worden, die vom Libanon auf eine Drohne des israelischen Militärs gerichtet gewesen sein soll. Das Militär habe daraufhin den Abschussort angegriffen. Die militante schiitische Hisbollah-Miliz, die finanziell vom Iran unterstützt wird, hatte zuvor mitgeteilt, mindestens drei Angriffe auf israelische Stellungen in der Nähe der Grenze verübt zu haben.
An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kommt es seit Beginn des Gaza-Konflikts zunehmend zu gewaltsamen Zwischenfällen. Auf beiden Seiten gab es bereits Todesopfer. Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.
Biden verurteilt Angriffe "extremistischer Siedler"
US-Präsident Joe Biden hat sich besorgt über "extremistische Siedler" im Westjordanland gezeigt und Gewalt gegen Palästinenser verurteilt. "Ich bin weiterhin beunruhigt über die Angriffe extremistischer Siedler auf Palästinenser im Westjordanland", sagte Biden am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. "Das muss jetzt aufhören." Derartige Angriffe seien, als würde man Benzin ins Feuer gießen, sagte Biden weiter. Dem UN-Menschenrechtsbüro zufolge steigt die Gewalt bewaffneter israelischer Siedler gegen Palästinenser.
Biden betonte erneut, dass Israel das Recht und die Verantwortung habe, auf die Angriffe der Hamas-Terroristen zu reagieren. "Aber das mindert nicht die Notwendigkeit, im Einklang mit den Gesetzen des Krieges zu handeln. Israel muss alles in seiner Macht Stehende tun, um unschuldige Zivilisten zu schützen, so schwierig das auch sein mag", mahnte der US-Präsident. Israel sollte sich darauf konzentrieren, "die Leute zu verfolgen, die diesen Krieg gegen Israel propagieren"
Biden zweifelt die palästinensischen Angaben zu den Toten im Gazastreifen an. Er habe "kein Vertrauen in die Zahlen, die die Palästinenser verwenden". Warum er die Zahlen infrage stellt, erläuterte der US-Präsident nicht.
Palästinensische Vertreter gaben die Zahl der Toten bei einer Explosion im Bereich eines Krankenhauses in Gaza-Stadt am 17. Oktober mit 471 an. US-Geheimdienste schätzen die Zahl auf 100 bis 300. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen gibt an, dass in den vergangenen Wochen bislang mehr als 6500 Menschen bei israelischen Angriffen getötet wurden.
Arabische Länder sehen Palästinenser-Rechte missachtet
Mehrere arabische Länder verurteilen Angriffe auf Zivilisten und Verletzungen des Völkerrechts im Gazastreifen. Das Recht auf Selbstverteidigung rechtfertige nicht, Gesetze zu brechen und Rechte der Palästinenser zu missachten, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Jordaniens, Bahrains, Saudi-Arabiens, Omans, Katars, Kuwaits, Ägyptens und Marokkos.
UN-Koordinatorin: "Kein Ort in Gaza ist sicher"
Angesichts der andauernden Angriffe auf Gaza hat die UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten in den Palästinensergebieten, Lynn Hastings, davor gewarnt, dass es nirgendwo in Gaza-Stadt mehr sicher sei. Die Aufforderungen der israelischen Armee zur Evakuierung bestimmter Gebiete machten für viele Menschen "keinen Unterschied", so Hastings in einem Presse-Statement. "Kein Ort in Gaza ist sicher", fügte sie hinzu.
Hastings Angaben zufolge warnt die israelische Armee die Bewohner von Gaza-Stadt weiterhin davor, in ihren Häusern zu bleiben und fordert sie dazu auf, sich in eine "humanitäre Zone" im Süden Gazas zu begeben. Manche Menschen könnten ihre Häuser aber nicht verlassen oder wüssten nicht, wohin sie gehen sollten.
Nach Ansicht des israelischen Militärs werden Zivilisten im Gazastreifen weiterhin von der Hamas an der Flucht aus dem besonders unsicheren Norden des Küstengebietes gehindert. Hamas-Mitglieder würden unter anderem Straßenblockaden aufstellen. Es seien aber inzwischen schon rund 700.000 Menschen in den Süden geflohen, so das Militär. Die Vereinten Nationen sprechen sogar von 1,4 Millionen Vertriebenen in Folge der israelischen Luftangriffe.
Hunderte Straftaten im Kontext des Gaza-Konflikts
Seit Beginn der jüngsten Auseinandersetzungen in Nahost hat die Polizei in Berlin mehr als 850 Straftaten in diesem Kontext registriert. Knapp 350 Tatverdächtige sind im selben Zeitraum bis zum Donnerstagmorgen ermittelt worden, wie die Polizei mitteilte. Details nannte sie nicht.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es in Berlin in den vergangenen Tagen immer wieder zu Angriffen auf israelische Einrichtungen. Nach pro-palästinensischen Kundgebungen und Demonstrationen, die vielfach von der Polizei verboten worden waren, gab es insbesondere in Neukölln wiederholt Ausschreitungen. Hunderte Einsatzkräfte sind derzeit nachts deshalb im Einsatz.
AR/mak/djo/rb/se/haz/uh/ie (dpa, afp, rtr)