Nazi-Kunst: "Hitlers Hengste" und ihre Geschichte
28. Mai 2023"Hitlers Hengste" werden sie genannt, die drei Meter hohen Skulpturen aus Bronze, tonnenschwer. Im Nationalsozialismus standen sie vor Adolf Hitlers Reichskanzlei. Nun sollen zwei der Skulpturen erstmals wieder in der Zitadelle Spandau gezeigt werden.
Die "Schreitenden Pferde" sind ein Entwurf des Wiener Bildhauers Josef Thorak - einem Lieblingskünstler von Hitler. Deshalb tragen sie den Beinamen "Thorak-Pferde".
Hitler ließ sie für die Neue Reichskanzlei in Berlins Mitte herstellen, dort standen sie mehrere Jahre im Garten unter dem Fenster seines Arbeitszimmers. 1943 wurden sie von der Neuen Reichskanzlei nach Wriezen im Oderbruch gebracht. Nach Kriegsende gelangten sie in die Hände der Roten Armee.
Schmuck für "Germania"
Eines der Pferde steht schon länger in der Ausstellung der Berliner Zitadelle, ein zweites Exemplar wird nun enthüllt und von den Restauratoren untersucht. Zum Tag des Offenen Denkmals am 10. September 2023 wird es nach Angaben des Museums mit weiteren problematischen Kunstwerken zum ersten Mal wieder dauerhaft präsentiert. Die Skulpturen sollten - so war es Hitlers Vision - die "imperiale" Hauptstadt "Germania" schmücken - Pläne für die neue Nazi-Stadt lagen schon bereit.
Dass die Pferde nun wieder öffentlich ausgestellt werden können, ist einem der international bekanntesten Kunstdetektive zu verdanken: Arthur Brand. Er spürte sie auf. Denn lange waren die Pferde verschollen - erst 2015 wurden sie wiederentdeckt.
Warum soll man Nazi-Kunst ausstellen?
Nach einer Großrazzia gegen einen dubiosen Kunsthändlerring, der in Deutschland im Verborgenen agierte, wurden die Pferde in Bad Dürkheim entdeckt. Die Polizei stellte die Pferde sicher, ebenso wie Skulpturen von Fritz Klimsch und Arno Breker, die auch zu Hitlers Lieblingskünstlern zählten.
Die Arbeiten sollten auf dem Schwarzmarkt verkauft werden - denn Nazi-Kunst ist auf dem offiziellen Kunstmarkt tabu. Warum wird diese Kunst dennoch in der Zitadelle ausgestellt?
Das Anliegen des Museums ist es, deutlich zu machen, wie sehr verschiedene Staatsmächte - vom Deutschen Kaiserreich bis zur DDR - mit ihren Denkmälern zwischen 1849 und 1986 versuchten, das Berliner Stadtbild zu prägen.
"Zeugnisse der deutschen Geschichte"
"Aufgrund der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert wurden immer wieder Denkmäler aus dem öffentlichen Raum entfernt, die für das neue System eine problematische oder sogar bedrohliche Erinnerung beziehungsweise Würdigung darstellten", heißt es dazu auf der Internetseite der Spandauer Zitadelle. "Das Museum bietet eine Möglichkeit, sich mit den großen Symbolen des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der DDR auseinanderzusetzen, die vergraben und vergessen werden sollten - und jetzt als Zeugnisse der deutschen Geschichte eine neue Funktion erfüllen."
Beim Stichwort "Große Symbole" mögen sich bei einigen Menschen die Augenbrauen heben - das Museum betont jedoch, dass es sich zu einem Zentrum für die Erforschung "toxischer" Denkmäler - die ja auch Zeugnisse deutscher Geschichte seien - entwickeln möchte. Auch die Bundesregierung hat den Erwerb der "Schreitenden Pferde" unterstützt.
Naziskulpturen an öffentlichen Plätzen
2022 sorgte bereits eine andere Ausstellung von Nazi-Kunst für wütende Proteste. Damals wurde die Münchner Pinakothek in einem empörten Offenen Brief dafür beschimpft, dass sie ein Gemälde des Nazi-Künstlers Adolf Ziegler gezeigt hat.
Georg Baselitz, einer der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler, verlangte damals, dass das Bild entfernt werden solle. "Es schockiert, dass Nazipropaganda auf diese schmuddelige Art in einem Münchner Museum möglich ist", so Baselitz.
Außerdem handele es sich um ein "schlechtes" Bild. Er empfand es als Beleidigung, dass sich Zieglers Werk in einem Raum mit den Künstlern, die dieser verfolgte, befand. "Ziegler hat Kunst und Künstler vernichtet. Er gehört nicht in den Saal seiner Opfer", schrieb Baselitz laut der "Süddeutschen Zeitung".
Viele NS-Propagandaskulpturen sind immer noch im öffentlichen Raum zu sehen, wie etwa im Berliner Olympiastadion, das vom NS-Regime für die Olympischen Spiele 1936 in Auftrag gegeben wurde. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006, bei der das Olympiastadion einer der Austragungsorte war, forderten einige Aktivisten die Entfernung der Statuen. Die Stadt lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass eine Entfernung eine Verleugnung der deutschen Geschichte darstellen würde.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 13. Januar 2023.