Nepal vor historischer Parlamentswahl
26. November 2017Die Teams internationaler Wahlbeobachter sind im Vorfeld der für den 26. November und 7. Dezember geplanten Wahlen in Nepal bereits angekommen. An diesen beiden Tagen sollen die Nepalesen unter anderem über die Zusammensetzung ihres Parlaments entscheiden, das daraufhin eine neue Regierung wählen wird.
Die Wahlen sind von großer Bedeutung für Nepal. Die letzten Parlamentswahlen fanden 1999 statt, mitten im Bürgerkrieg zwischen der Regierung und einer maoistischen Rebellengruppe. Nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages im Jahr 2006 wählten die Nepalesen 2008 und 2013 verfassungsgebende Versammlungen. Diese wirkten zwar auch als Legislative, aber ihre Hauptaufgabe war es, eine neue Verfassung zu verabschieden. Das ist im September 2015 geschehen. Die bevorstehende Parlamentswahl ist nun Nepals erste in 18 Jahren.
Ende der chronischen Instabilität?
Wird diese Wahl der chronischen politischen Instabilität im Land ein Ende setzen? Diese Frage treibt viele Nepalesen um. Denn nicht nur der zehnjährige Bürgerkrieg mit den Maoisten und das verheerende Erdbeben im April 2015 haben Nepals Entwicklung schwer geschadet. Seit 1990 hat es keine einzige Regierung geschafft, eine volle Amtszeit zu überstehen. Das Amt des Premierministers hat in 27 Jahren 24 Mal gewechselt. Zuletzt waren Regierungen oft weniger als ein Jahr an der Macht. Große politische und wirtschaftliche Reformprogramme, die Nepal dringend nötig hat, lassen sich so nicht umsetzen.
Was ist von Linksbündnis zu erwarten?
Aufmerksamkeit hat deshalb zuletzt die Bildung eines linken Bündnisses zwischen den Maoisten und der Vereinigten Marxistisch-Leninistischen Partei (UML) erregt. Diese beiden Parteien hatten sich bei den Kommunalwahlen im vergangenen Sommer die Plätze eins beziehungsweise drei gesichert, der Nepali Congress kam auf den zweiten Platz. Nun verkündeten sie, nach den Wahlen eine geeinte kommunistische Partei bilden zu wollen.
Das linke Bündnis wird es den anderen politischen Parteien sicher erschweren, eine Mehrheit im Parlament zu erlangen. Für Stabilität wird es aber nicht sorgen. Denn in der Vergangenheit waren vor allem Nepals kommunistische Parteien notorisch von Abspaltungen bedroht, wenn diese den persönlichen Interessen einzelner Eliten zu Gute kamen. Seit Ende des Bürgerkrieges spalteten sich beispielsweise von den Maoisten in den Jahren 2012, 2014 und 2015 teils ultra-linke Faktionen ab. Eine der Splitterparteien war da nur noch durch eine andere Schreibweise – "CPN-M" statt "CPN (M)" – von ihrer Mutterpartei zu unterscheiden.
Das Aufspaltungsproblem der kommunistischen Bewegung in Nepal wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Denn mit dem ehemaligen Rebellenführer Pushpa Kamal Dahal (der immer noch unter seinem nom de guerre Prachanda oder "der Kämpferische" bekannt ist) und UML-Chef K. P. Oli stehen gleich zwei der machthungrigsten Männer Nepals an der Spitze des Bündnisses.
Ungelöstes Minderheiten-Problem
Für die Wähler stehen parteipolitische Spielereien sowieso nur an zweiter Stelle. Sie wollen endlich eine stabile Regierung, damit wirtschaftliche Entwicklung stattfinden kann, Arbeitsplätze geschaffen werden und mehr Geld in Bildung, Straßenbau und Gesundheitswesen fließt. Die Madhesi-Minderheit am Grenzstreifen zu Indien im Süden des Landes (Terai) möchte zudem eine stärkere Stimme im politischen System bekommen. Seit zwei Jahren protestiert sie schließlich gegen die aktuelle Verfassung, durch die sie sich diskriminiert fühlt. Es ist unwahrscheinlich, dass das linke Bündnis hier eine Lösung anbieten kann. Maoisten und die UML haben sich in der Vergangenheit in der Madhesi-Frage sehr unterschiedlich positioniert, so in der Frage, ob der föderale Aufbau Nepals ethnische Trennlinien widerspiegeln solle oder nicht.
China als interessierter Beobachter
Sollte das Bündnis aber tatsächlich die Regierungspartei stellen, wird das vor allem China froh stimmen. Der UML-Vorsitzende Oli und zu einem gewissen Grad auch Prachanda von den Maoisten gelten als "Freunde Chinas", so haben beide in der Vergangenheit für chinesische Infrastrukturprojekte die Tür weit auf gemacht. China geht es vor allem darum, seine Interessen in Nepal zu schützen, zum Beispiel die Sicherung der Grenze zu Tibet.
Dr. Julia Strasheim hat zu Nepal geforscht und ist wiss. Mitarbeiterin bei der Bundeskanzler Helmut Schmidt-Stiftung in Hamburg