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Netanjahu warnt vor Charmeoffensive des Iran

Gero Schließ, Washington1. Oktober 2013

Auch nach Benjamin Netanjahus Rede in der Vollversammlung der Vereinten Nationen bleibt es dabei: Israel und der Iran schenken sich nichts. Das Misstrauen sitzt auf beiden Seiten tief und die Rhetorik ist scharf.

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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen (Foto: Reuters/ Adrees Latif)
Bild: Reuters

Noch bevor der israelische Premierminister am Dienstag (01.10.2013) vor die UN-Vollversammlung trat, hatte Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif die Vereinten Nationen aufgefordert, die "Panikmache" des israelischen Regierungschefs zu ignorieren. "Von Netanjahu erwarten wir nichts anderes als Lügen und Schwindel", sagte Sarif laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA. Das dürfte kaum der "neue Tonfall" sein, den Außenminister Westerwelle und sein amerikanischer Amtskollege John Kerry zuletzt so gepriesen hatten. Offensichtlich reagierte Sarif auf Netanjahus Bemerkungen vom Vortag. Im Beisein des amerikanischen Präsidenten Obama hatte er seine Vorbehalte gegenüber einer amerikanisch-iranischen Annäherung mit einem Satz zugespitzt: "Der Iran ist bereit, Israel zu zerstören."

Rede entspricht Erwartungen

Von deutlicher Sprache war denn auch Netanjahus Rede vor der UN-Vollversammlung geprägt. "Für mich enthielt die Rede keine Überraschung", erklärt der Washingtoner Nahostexperte Khaled Elgindy im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Ganz klar war Iran der Fokus und Netanjahu hat es sehr dringlich gemacht. Er sagte es ganz unumwunden: Lasst euch nicht hereinlegen!"

Rohani als "Wolf im Schafspelz"

Und Netanjahu brachte es dann mit einem archaischen Wortbild auf den Punkt: Die einzige Differenz zwischen dem früheren iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und seinem Nachfolger Rohani sei, dass Ahmadinedschad ein Wolf im Wolfspelz und Rohani ein Wolf im Schafspelz ist.

Netanjahu verwandte viel Zeit darauf, Rohani zu kritisieren, der vor einer Woche an der gleichen Stelle stand und in moderaten Worten Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm anbot. Fast hatte man den Eindruck eines Fernduells der beiden. Auch wenn es nicht den Anschein habe: Rohani sei ein treuer Diener seines Regimes. so der israelische Premierminister in dem Bemühen, die Glaubwürdigkeit seines Gegenspielers zu untergraben: "Während er nationaler Sicherheitsberater war, hat der iranische Geheimdienst in einem Berliner Restaurant Oppositionelle ermordet und weltweit terroristische Anschläge verübt."

Netanjahu glaube, dass das iranische Regime sich trotz der Charmeoffensive kein bisschen geändert habe, erklärt Natan Sachs vom Saban Center for Middle East Policy der Brookings Institution. Iran und sein nukleares Programm seien seit Jahren ganz oben auf der "Sorgenliste" Netanjahus.

Netanjahus Rede "unvernünftig hart"?

Er sei sehr besorgt, dass die internationale Koalition gegen den Iran nun ihr Ziel aus den Augen verliert. "Es war eine harte Rede, und harte Reden bergen immer die Gefahr, dass sie unvernünftig hart erscheinen", meint Sachs. "Es hätte ihm gutgetan, wenn er auch die positiven Seiten des Wandels im Iran herausgestellt hätte."

Und so wiederholte Netanjahu die israelische Maximalforderung, der Iran müsse sein Nuklearprogramm komplett aufgeben, bevor die Sanktionen zurückgenommen werden könnten. Aus dem Weißen Haus signalisierte Präsident Obamas Sprecher, für die USA sei die skeptische Haltung Netanjahus "vollkommen zu rechtfertigen". Zuvor hatte schon Außenminister Westerwelle Verständnis geäußert. Beide vermieden es allerdings, sich konkret zu Netanjahus Forderung zu äußern.

Treffen zwischen Israels Premierminister Netanjahu und US-Präsident Obama in Washington (Foto: Reuters)
Hatten sich am Vortag bereits getroffen: Netanjahu und US-Präsident ObamaBild: Reuters

"Die Rolle, die Israel spielt, ist, extrem hohe Hürden zu errichten und Erwartungen aufzubauen, die nicht erfüllt werden können", meint Khaled Elgindy. "Ich glaube, die meisten der Verhandlungspartner sehen, dass auch Ergebnisse unterhalb dieser Erwartungen zufriedenstellend sind."

Skepsis nicht nur in Israel

Israel spiele immer die "schlechte Karte". "Sie sind diejenigen, die skeptisch sind, die überzeugt werden müssen." Für Natan Sachs handelt es sich aber nicht um "eine Auseinandersetzung Israels, sondern der internationalen Gemeinschaft mit dem Iran. Israel äußert sich am deutlichsten über das nukleare Programm. Aber viele andere sind auch besorgt, auch die Amerikaner, Deutschland und die arabischen Nachbarn."

Er habe keinen Zweifel, dass der Iran an einer Atombombe baut, "während Rohani uns mit diplomatischem Rauch vernebeln will" - das ist so ein drastischer Satz Netanjahus. Und er fügte vor der UN-Vollversammlung hinzu, dass Israel eine iranische Atombombe niemals hinnehmen werde. Der Druck aus Israel und die Warnung, notfalls mit einem Militärschlag das iranische Atomprogramm zu zerstören, seien wichtig gewesen, um die internationale Unterstützung für die Sanktionen anzufachen. "Sicherlich kann Israel manchmal zu kriegerisch, zu überzogen wirken. Aber ohne Israels Drängen", ist sich Sachs sicher, "gäbe es viel weniger weltweites Bewusstsein für die Dringlichkeit, und es könnte heute schon zu spät sein."

Gewichtige Rolle

Wie einflussreich ist Israel, wie viel Gewicht hat sein Wort bei seinem amerikanischen Verbündeten, der nicht nur den Iran, sondern den gesamten Nahen Osten im Blick behalten muss? Israel, so Sachs, "ist eng mit den USA verbunden, hat hier viele Verbündete und ist einflussreich. Israel kann keine direkte Rolle spielen, aber seine indirekte Rolle ist sehr bedeutsam."

Sollte Israel militärisch agieren, könnte es das Programm aufhalten, aber nicht eliminieren, warnt Khaled Elgindy. "Auf lange Sicht kann ein Verhandlungsprozess mehr erreichen als ein militärischer Schlag. Er würde höchstens das iranische Nuklearprogramm aufschieben, aber nicht beenden. Und für Iran wäre das ein noch größerer Anreiz, sein Programm weiter zu verfolgen."