Netanjahu drängt auf Neuwahlen
2. Dezember 2014Nur 20 Monate lang hat die wacklige Mitte-Rechts-Koalition von Benjamin Netanjahu gehalten - also noch weniger als die durchschnittlich zweieinhalb Jahre, die israelische Regierungen seit 1992 schaffen.
Angesichts einer schweren Krise zog der israelische Regierungschef nun die Konsequenzen und sprach sich für vorgezogene Neuwahlen aus. Das Parlament solle so schnell wie möglich aufgelöst werden, hieß es in einer Erklärung. Zugleich entließ Netanjahu die beiden bekanntesten Kabinettsmitglieder der politischen Mitte: Finanzminister Jair Lapid von Jesch Atid (Zukunftspartei) und Justizministerin Zipi Livni von Hatnua (Die Bewegung).
"Ich werde keine Opposition in meiner Regierung dulden", erklärte der Ministerpräsident. Livni und Lapid hätten in den vergangenen Wochen immer wieder die Regierungspolitik kritisiert, hieß es in Netanjahus Mitteilung. In der Nacht zum Dienstag war ein entscheidendes Treffen zwischen dem Regierungschef und dem Finanzminister ohne eine Einigung zu Ende gegangen.
Tiefe ideologische Gräben in der Regierung
Insgesamt besteht die regierende Mitte-Rechts-Koalition unter Führung der Likud aus fünf Parteien. Zwischen ihnen liegen tiefe politische und ideologische Gräben. Die nun geschasste Justizministerin Livni vertrat das linkere Spektrum und setzte sich als Chefunterhändlerin energisch für eine Friedensregelung mit den Palästinensern ein.
Rechte Koalitionspartner, wie Außenminister Avigdor Lieberman von Israel Beitenu (Unser Haus Israel) und Bauminister Uri Ariel von der Siedlerpartei "Das Jüdische Haus", torpedierten diese Anstrengungen immer wieder. Sie monierten stattdessen, die Regierung investiere zu wenig in den Siedlungsausbau, der weiter auch in den besetzten Gebieten stattfindet.
Streit um den "jüdischen Nationalstaat"
Jüngster Streitpunkt der Koalition war ein Gesetzentwurf, der Israels Charakter als "Nationalstaat des jüdischen Volks" festschreiben soll. Netanjahus Likud befürwortet das Gesetz. Von der Partei Lapids und anderen Teilen der seit 20 Monaten amtierenden Koalition wird es dagegen abgelehnt. Die Kritiker befürchten, dass die arabischen Israelis durch ein solches Gesetz noch weiter in die Rolle der "Bürger zweiter Klasse" gedrängt würden.
Schon vor dem Ministerpräsidenten hatte bereits die Opposition Neuwahlen gefordert. Sie hatte einen entsprechenden Antrag eingebracht, über den das israelische Parlament ohnehin am Mittwoch beraten wollte. Sollte die Knesset ihre Selbstauflösung beschließen, würden vermutlich im März oder April vorgezogene Neuwahlen anstehen. Reguläre Wahlen wären erst im November 2017 vorgesehen.
cw/pg (dpa, afp, rtr)