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Netto-Zahler müssen sich bewegen

Bernd Riegert11. Februar 2004

Mit der Vorlage der Finanzvorschau von 2007 bis 2013 ist der voraussichtlich harte Kampf um die EU-Gelder eröffnet. Jetzt müssen sich die Streithähne einander annähern. Ein Kommentar von Bernd Riegert.

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Die Kommission möchte durchschnittlich 1,14 Prozent des Brutto-National-Einkommens ausgeben. Gedroht hatte sie mit 1,24 Prozent. Diese Stellen hinter dem Komma sind wichtig, denn in konkreten Zahlen macht das für das Jahr 2013 einen Unterschied von 15 Milliarden Euro aus: Statt 158 Milliarden Euro verlangt sie nur 143 Milliarden. Das ist für die Nettozahler, also jene Staaten, die mehr in die EU einzahlen als sie an Subventionen wieder zurückbekommen, ein erster Erfolg. Sie hatten nach dem gescheiterten Verfassungsgipfel im Dezember 2003 ihren berühmt-berüchtigten "Spar-Brief" geschrieben.

Größter Netto-Zahler ist Deutschland, das sich besonders vehement für eine Begrenzung des Haushalts einsetzt. Auf der anderen Seite stehen die derzeitigen Netto-Empfänger-Länder, die befürchten, nach der Osterweiterung weniger aus Brüssel bekommen werden, weil dadurch die Zahl der subventionsbedürftigen Staaten drastisch wächst. Dieser Kampf dürfte aber etwas weniger heftig ausfallen als bisher angenommen.

Sparen und Umsteuern

Die Kommission hat sich bewegt - jetzt sind die Mitgliedstaaten an der Reihe, sich zu bewegen, wenn sie den Streit ums Geld nicht unnötig eskalieren lassen wollen. Ihre populistische Forderung, den EU-Haushalt bei einem Prozent des Brutto-National-Einkommens einzufrieren, werden sie nicht durchhalten können. Bei den Aufgaben, die die EU sich mit Erweiterung und selbstbewussterer Außenpolitik selbst gegeben hat, ist eine Haushalts-Steigerung wohl unumgänglich. Anders ausgedrückt: Wenn die europäischen Finanzminister ernsthaft sparen wollen, müssen die Mitgliedsstaaten die Aufgaben und ihre Ansprüche herunterschrauben. Ob sie dazu im Moment die Kraft haben, ist fraglich.

Die größten Brocken bleiben in der finanziellen Vorschau des EU-Haushalts bis 2013 weiterhin die Agrarsubventionen und die Strukturmittel für benachteiligte Regionen: Fast 80 Prozent des Geldes fließen in diese gigantische Umverteilungs-Maschine, deren Sinn inzwischen von vielen Experten und EU-Parlamentariern angezweifelt wird. Hier versucht die EU-Kommisson gegenzusteuern, indem sie die heute bescheidenen Ausgaben für Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren nach 2007 vervielfachen will. Die Summe für die Landwirtschaft bleibt hingegen ungefähr gleich, das heißt: Ihr relativer Anteil am Gesamthaushalt sinkt.

Der Sinn der Fördergelder für den ländlichen Raum und anderer Subventions-Töpfe muss dringend überprüft werden. Die EU muss sich mehr Mühe geben, ihre ausufernde Verwaltung zu beschneiden und auch so Kosten zu sparen. Der Beamten-Apparat der EU verbraucht etwa sechs Prozent des Haushalt. Wenn man versteckte Kosten dazu zählt, kommt man spielend auf zehn Prozent oder rund zehn Milliarden Euro. Das EU-Parlament mit seinen zwei Tagungsorten in Brüssel und Straßburg, seiner Verwaltung in Luxemburg und einer recht komfortablen Ausstattung verzehrt eine weitere Milliarde.

Solidarität statt Verteilungskampf

Am Ende der anstehenden Finanzschlacht müssen alle dann 25 Mitgliedsstaaten dem Hauhalts-Masterplan zustimmen. Spanien, der bislang größte Netto-Empfänger, wird mit weniger Geld aus Brüssel zufrieden sein müssen. Die neuen Mitglieder wollen an die Fördergelder heran. Polen möchte mehr Subventionen für seine Landwirte. Das könnte auch für die ostdeutschen Bundesländer ein Sinken der bisher eingenommenen Gelder bedeuten.

Diese Verteilungskämpfe haben noch gar nicht richtig begonnen. Sie könnten zudem noch mit der Verfassungsdebatte vermengt werden, in der ja auch Spanien und Polen eine zentrale Rolle spielen. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Regierungschef des größten Netto-Zahlers Deutschland, hat mehr als einmal angedeutet, dass sich ein Einlenken im Verfassungs-Streit für Spanien und Polen finanziell lohnen könnte.

In ihrem Haushaltsplan hat die EU-Kommission darauf hingewiesen, dass das "Projekt Europa" nicht nur ein Rechenschieber-Modell zwischen Netto-Zahlern und Netto-Empfängern ist. Vielmehr müsse es auch um europäische Solidarität und die politischen Pluspunkte gehen, die die Netto-Zahler aus der Union ziehen. Hoffentlich beherzigen die Staats- und Regierungschefs in der derzeit krisenhaften europäischen Stimmung diese wahren Worte.