Netzwerk des Terrors
7. August 2003Bis zu den Anschlägen im balinesischen Kuta im Oktober 2002 wurde die Jeemah Islamiyah (JI) als eine extremistsche islamische Gruppe in Indonesien unterschätzt. Die indonesische Regierung hatte immer wieder betont, keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten zu haben. Tatsächlich gehörten radikale islamische Vereinigungen schon länger zum Erscheinungsbild der indonesischen Gesellschaftsstruktur und reichen bis in die Suharto-Dikatur zurück. Die Forderung nach einem islamischen Gottesstaat ist damit nicht neu. Schon nach der Intervention der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan aber war es wiederholt zu gezielt antiamerikanischen und antiwestlichen Protesten im größten islamischen Land der Welt gekommen. Die Bali-Anschläge, bei denen 202 Menschen starben und rund 300 andere verletzt wurden, änderten diese Einschätzung schlagartig. Noch im Oktober 2002 setzte die US-Regierung State JI auf ihren Index terroristischer Organisationen.
Ziel: Islamischer Gottesstaat in Indonesien
JI gilt in der Region als radikale Organisation, die in den traditionell toleranten moslemischen Ländern Südostasiens einen Gottesstaat errichten will. Der Gottesstaat soll neben Indonesien noch Malaysia, Singapur, Brunei auch die südlichen Philippinen umfassen. In allen diesen Ländern werden Zellen der JI vermutet. Die Organisation soll in Verbindung mit dem Terroristennetzwerk Al-Kaida stehen und Förderer in den Staaten des Mittleren Ostens und Südostasien haben. Verlässliche Nachweise aber, woher JI seine Unterstützung bezieht, konnten bislang nicht erbracht werden. Die besondere Schwierigkeit, JI Verbindungen zu Anschlägen nachzuweisen, besteht bereits in der Struktur der Vereinigung, die sich aus einer Vielzahl von Gruppen zusammensetzt.
Seit Jahren haben die terroristischen Aktivitäten der JI stetig zugenommen. Schon im Dezember 2001 hatten die Sicherheitsbehörden in Singapur eine geplante Anschlagsserie gegen Botschaften der USA und Israels aufgedeckt. Auch diplomatische Einrichtungen Großbritanniens und Australiens sollten beschädigt werden. Gleichzeitig wird JI auch für mehrere Bombenanschläge in Indonesien und auf den Philippinen verantwortlich gemacht.
Todesurteil für Hauptverdächtigen
Unklar ist, wie groß JI tatsächlich ist. Schätzungen der Sicherheitsbehörden in Singapur gehen von mehreren Hundert Anhängern bis hin zu 5000. Mehrere Dutzend Verdächtige wurden in den Monaten nach den Anschlägen vom Oktober 2002 festgenommen. Ebenfalls unklar ist die Größe und die genaue Besetzung des Führungszirkels der Organisation. Zum harten Kern wird der mittlerweile inhaftierte Prediger Abu Bakar Baasyir gezählt, der seine Beteiligung an Anschlägen und Vorbereitungen bislang abgestritten hat. Allerdings hat Baasyir zugegeben, eine führende Rolle im indonesischen Mujahidin Council zu haben, eine Organisation, die sich für die Einführung des radikalen islamischen Rechts, der Scharia, einsetzt. Der Prediger aus Solo gilt als das geistige Oberhaupt von JI. Schon im November 2002 hatte die indonesische Polizei auch den Javaner Amrozi festgenommen, der zusammen mit seinem Bruder, die Hauptverantwortung für die Bali-Anschläge getragen haben soll. Der 40-jährige Moslem Amrozi wurde am Donnerstag (7.8) zum Tode verurteilt. Der Mechaniker soll bei dem Attentat als Sprengstoff-Beschaffer eine Schlüsselrolle gespielt haben. Weltweit wird weiterhin Riduan Isamuddin gesucht, der in Polizeikreisen als Operationschef von JI und Verbindungsmann zu Al-Kaida angesehen wird.