Neu auf DVD: Cannes für zu Hause
18. Mai 2015Nicht jeder kann nach Cannes. In der Regel kommen die beim wichtigsten Filmfestival der Welt ausgezeichneten Werke ein paar Monate nach ihrer Premiere an der Croisette in die Kinos - und später auch auf DVD und Bluray heraus. Zumal wenn es sich um ehemalige Gewinner der Goldenen Palme handelt.
Europäischer Sozialkritker des Kinos
Ken Loach gewann die Auszeichnung im Jahre 2006 für seinen Film "The Wind That Shakes the Barley". Im vergangenen Jahr erlebte der vermutlich letzte Film des 78-jährigen Briten im Wettbewerb von Cannes seine Welturaufführung: "Jimmys Hall", der jetzt auf DVD vorliegt, erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der nach vielen Jahren im Exil in den USA in sein irisches Heimatstädtchen zurückkehrt. Einst hatte er dort einen Tanzsaal ins Leben gerufen, nun wird er von der Dorfjugend gedrängt, diesen wieder zu eröffnen. Jimmy macht sich nach anfänglichem Zögern ans Werk.
Erzkonservative Kirche Irlands
Doch in Irland spielt die Kirche im Jahre 1932 noch eine mächtige Rolle. Deren erzkonservative Vorstellungen vertragen sich schlecht mit den Wünschen und Träumen einer Jugend, die tanzen und Musik hören will. "Jimmys Hall" ist ein engagierter sozial- und gesellschaftskritischer Historienfilm, sicher nicht Loachs stärkstes Werk. "Jimmys Hall" ist von Melancholie geprägt, ihm fehlt der Biss und die Härte früherer Filme des Regisseurs. Doch sehenswert ist "Jimmys Hall", ein typisches Alterswerk, durchaus.
Mehrfach ausgezeichnet in Cannes
Der rumänische Regisseur Cristian Mungiu steht hingegen im Zenit seiner Schaffenskraft. Er gewann die Goldene Palme im Jahr nach Loachs Triumph in Cannes für sein bestürzendes wie eindrucksvolles Abtreibungsdrama "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage". Vor drei Jahren war er wieder beim Festival, diesmal mit "Jenseits der Hügel" (Artikelbild). Auch für diesen Film gab es Auszeichnungen an der Croisette: Mungiu konnte eine Palme für das beste Drehbuch mit nach Hause nehmen, seine beiden weiblichen Protagonistinnen den Darstellerpreis. Völlig zu Recht.
"Jenseits der Hügel" ist ein meisterlicher Film über das Drama zweier jungen Frauen in einem rumänischen Kloster. Der von Mungiu auf die Leinwand gebrachte Fall hat sich tatsächlich einige Jahre zuvor so ereignet. Alina und Voichita waren einst in einem Waisenhaus zusammen aufgewachsen und haben sich in dieser Zeit aneinander geklammert. Nun ist Alina aus Deutschland zurückgekehrt und besucht die alte Freundin an deren neuen Lebensstätte: einem abgelegenen orthodoxen Kloster. Alina will Voichita überreden, mit ihr nach Deutschland zu gehen um dort Arbeit und ein besseres Leben zu finden.
Auch hier: Opposition gegen die Kirche
Doch Voichita hat einen neuen Fixpunkt in ihrem Leben. Im Kloster hat sie zu Gott gefunden. Alina will das nicht akzeptieren und begehrt auf. Damit wiederum bringt sie die starre Ordnung des Klosterlebens in Unordnung - und den Vorsteher in Rage.
Alina störrisches Wesen könne nur auf den Teufel zurückzuführen sein, vermutet der Kirchenmann. Was dann folgt ist ein Akt des Exorzismus - mit tödlichem Ausgang. Mungius Film ist erschütternd in seiner Aussage, doch bleibt der Regisseur wie schon in "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" bei seiner ruhigen und differenzierten Erzählweise. Gerade dadurch zieht er den Zuschauer in einen filmischen Sog. Ein Meisterwerk des europäischen Kinos!
Ken Loachs Film "Jimmys Hall" ist beim Anbieter "Pandora" erschienen, Cristian Mungius Film "Jenseits der Hügel" bei "EuroVideo".