Neue Foltervorwürfe
5. August 2004Die USA und Großbritannien stehen vor neuen Anschuldigungen, Häftlinge unmenschlich behandelt zu haben. In einem 115 Seiten langen Bericht, der am Mittwoch (4.8.2004) vom "Zentrum für Verfassungsrechte" in New York vorgestellt wurde, geben die ehemaligen Guantanamo-Gefangenen an, dass sie unter anderem brutal geschlagen, getreten, mit Drogen voll gepumpt und nackt fotografiert worden seien. Angesichts von Gewalt und monatelanger Isolationshaft hätten Gefangene Taten gestanden, die sie nie begangen hätten.
Bei Verhören anwesende Mitglieder des britischen Geheimdienstes MI5 hätten die Behandlung toleriert, heißt es weiter. Beschwerden in schriftlicher oder mündlicher Form bei britischen Botschaftsangehörigen hätten keinerlei Resultate erbracht. Ein Sprecher des Außenministeriums in London sagte dem britischen Rundfunksender BBC, niemand habe das Außenministerium auf mögliche Misshandlungen hingewiesen. Das Verteidigungsministerium sagte der BBC, die Anschuldigungen würden untersucht.
Pistole am Kopf
Ein US-Soldat habe Rhuhel Ahmed, einem der drei britischen Ex-Gefangenen, eine Waffe an den Kopf gehalten und mit seiner Erschießung gedroht, während ein britischer Soldat der Spezialeinheit SAS den Gefangenen verhört habe, zitiert der "Guardian" aus dem Dossier, das von den Anwälten des Trios zusammengestellt wurde. Der Vorfall habe sich kurz nach seiner Festnahme im November 2001 in Afghanistan ereignet. Ahmed und seine Mitgefangenen Schafik Rasul und Asif Ikbal seien in Haft zudem wiederholt geschlagen, in Verhören "in schmerzhaften Haltungen" gefesselt und mit Stroboskoplicht und Schlafentzug misshandelt worden.
Der Bericht wurde am Mittwoch zwei Mitgliedern des Streitkräfteausschusses im US-Senat übergeben. Der Präsident des "Zentrums für Verfassungsrechte", Michael Ratner, sagte, der Bericht stelle die Seriosität aller Informationen und Geständnisse von Guantanamo-Häftlingen in Frage. Der Anwalt Clive Stafford Smith sprach von reiner Folter. "Wir wissen seit dem Mittelalter, dass keine nützlichen Informationen aus erzwungenen Geständnissen herauskommen." Das US-Verteidigungsministerium hat bislang nicht auf die neuen Vorwürfe reagiert.
Das Interesse an diesen Vorwürfen ist auch in der Öffentlichkeit in den USA gering. Auf den Internet-Seiten bedeutender Zeitungen und TV-Stationen wie "New York Times", "CNN" und "Washington Post" fanden sich nach der Veröffentlichung der Vorwürfe darüber entweder gar keine Berichte, oder sie waren nur bei gezielter Suche zu finden.
Millers Methoden
Die drei Männer aus dem englischen Tipton hatten zwei Jahre lang ohne offizielle Anklage und Rechtsbeistand in amerikanischer Gefangenschaft verbracht, zunächst in Afghanistan und später in Guantanamo. Im März kehrten sie nach Großbritannien zurück, wo sie freigelassen wurden, ohne noch mit einer Anklage rechnen zu müssen.
Unter Generalmajor Geoffrey Miller habe sich die Lage der Häftlinge in Guantanamo noch verschlimmert, heißt es in dem Bericht. Miller befehligte später das berüchtigte Gefängnis Abu Ghoreib bei Bagdad. Es wurde als Folter-Gefängnis berühmt-berüchtigt, weil dort viele Häftlinge misshandelt wurden. In Guantanamo seien Insassen unter Miller gewaltsam die Bärte abgeschnitten worden, sie seien mit Fesseln in unnatürliche Haltungen gezwungen und nackt in den Zellen eingeschlossen worden. Sie hätten sich auch Videokassetten mit anderen Gefangenen ansehen müssen, die zum Analverkehr gezwungen worden seien.
Koran in die Toilette
Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Koran, das heilige Buch der Muslims, vom Wachpersonal in die Toilette geworfen worden sei. Die ehemaligen Gefangenen werfen den Ermittlern auch vor, ihnen vor Verhören Injektionen mit unbekannten Drogen gegeben zu haben. Ungeachtet der feuchten und heißen Luft auf der US-Militärbasis hätten sie nur ein Mal in der Woche für wenige Minuten duschen dürfen.
Auf Grund der demütigenden Behandlung haben die drei Briten nach eigenen Worten letztlich ein falsches Geständnis abgelegt. Sie gaben zu, dass sie auf einem Video gemeinsam mit El-Kaida-Führer Osama bin Laden und Mohammed Atta, einem der Flugzeugentführer vom 11. September 2001, zu sehen seien.
Auf der Basis Guantanamo Bay auf Kuba werden zur Zeit noch rund 590 mutmaßliche Mitglieder des Terrornetzwerkes El Kaida und der afghanischen Taliban-Milizen festgehalten. (mas)