Hoffnung für Waffenruhe gegen null
15. Oktober 2016Nach dem Treffen im schweizerischen Lausanne gaben sich die Beteiligten wortkarg. "Wir arbeiten sehr hart", hatte US-Außenminister John Kerry nach ersten Beratungen mitgeteilt. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wurde von russischen Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert, es seien weitere Kontakte in naher Zukunft vereinbart worden. Zudem seien bei dem Treffen einige "interessante Ideen" besprochen worden.
Zum ersten Mal seit die Waffenruhe Mitte September in Syrien gescheitert ist, hatten sich Kerry und Lawrow wieder unter vier Augen beraten. Über den Inhalt der knapp 40-minütigen Begegnung gab es zunächst keine Verlautbarungen. Washington hatte vor knapp zwei Wochen bilaterale Kontakte mit Russland zur Syrien-Krise auf Eis gelegt. Grund war die anhaltende Bombardierung der syrischen Stadt Aleppo durch syrische Regierungstruppen mit Unterstützung Russlands.
Im Anschluss an das Treffen kamen die beiden Minister mit weiteren Amtskollegen zu einem "separaten Gedankenaustausch" zusammen, hieß es aus Delegationskreisen. An den Beratungen in einem Hotel am Genfer See nahmen die Außenminister von Saudi-Arabien, Katar, Iran, Irak und der Türkei, Spitzendiplomaten aus Jordanien und Ägypten sowie der UN-Syriengesandte Staffan de Mistura teil. Den Gesprächen schließt sich am Sonntag ein Treffen zwischen Kerry und seinen europäischen Ressort-Kollegen in London an.
Nach Angaben eines US-Sprechers ist das Ziel des Treffens, für Aleppo "irgendeine Art Feuerpause oder wenigstens eine erhebliche Reduzierung der Gewalt zu erreichen". Wirklich daran glauben, tun die Beteiligten nicht. Lawrow sagte vorab, dass er "keine besonderen Erwartungen" an das Treffen habe. Ein hoher Regierungsbeamter des US-Außenministeriums sagte, dass er keine bedeutenden Ankündigungen vorhersehe. "Es wird so sein, wie es nun schon seit einigen Jahren ist: ein schwieriger Prozess", so der Beamte.
Russischer Marineverband auf Weg nach Syrien
Lawrow sagte vor der Abreise nach Lausanne, er wolle keine neuen Initiativen zur Beilegung des Konflikts präsentieren, sondern auf die Umsetzung vorheriger UN-Resolutionen sowie der letzten Vereinbarung mit den USA für eine Waffenruhe dringen. Seit deren Zusammenbruch wurden im Osten Aleppos laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 370 Menschen durch syrische und russische Luftangriffe getötet. Unterdessen sind russische Kriegsschiffe unter Führung des Flugzeugträgers "Admiral Kusnezow" in Richtung syrischer Küste ausgelaufen. Moskauer Medien zufolge will Russland seinen einzigen Flugzeugträger in den nächsten Monaten zur Unterstützung der Luftangriffe in Syrien einsetzen.
Türkei will bei Offensive auf Mossul helfen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte derweil an, sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu werde in Lausanne einen Vorschlag für eine Beteiligung der türkischen Truppen an der geplanten Offensive auf die nordirakische Stadt Mossul präsentieren. Die irakische Regierung lehnt eine Beteiligung der Türkei an dem Einsatz zur Befreiung der letzten Hochburg der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak allerdings ab.
Waffenruhe hielt nur wenige Tage
Für Syrien hatten Kerry und Lawrow Mitte September eine landesweite Feuerpause zwischen Rebellen und Regierungstruppen ausgehandelt, doch war diese nach nur wenigen Tagen wieder zerbrochen. Am 22. September starteten die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe eine neue Offensive in Aleppo, um die seit Jahren geteilte Großstadt wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Mehrere westliche Staaten haben Moskau wegen der massiven Luftangriffe auf Wohngebiete und Krankenhäuser "Kriegsverbrechen" vorgeworfen.
In dem seit fünf Jahren andauernden Krieg in Syrien sind nach Schätzungen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits mehr als 290.000 Menschen ums Leben gekommen. Nach Caritas-Angaben sind es mindestens 470.000 Todesopfer, davon 70.000 wegen unzureichender medizinischer Versorgung. Beinahe fünf Millionen Syrer sind vor Gewalt ins Ausland geflohen. Realistische Schätzungen sind wegen des fehlenden Zugangs zum Land kaum möglich.
ust/qu (dpa, afp, rtr)