G36-Affäre: MAD ermittelte doch
10. Juni 2015Die Affäre um das deutsche Sturmgewehr G36 zieht immer weitere Kreise und wirft ein neues Schlaglicht auch auf die Rolle des Bundeswehr-Geheimdienstes MAD. Nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) und des Nachrichtenportals "Spiegel online" deuten interne Dokumente darauf hin, dass der MAD sehr wohl dazu eingesetzt wurde, die Weitergabe vertraulicher Informationen an Journalisten zu untersuchen. Dies war wiederholt bestritten worden, auch von Seiten des Verteidigungsministeriums.
Bereits Ende des vergangenen Jahres berichtete demnach ein Beamter der Wehrtechnischen Dienststelle 91 (WTD) in einer Anhörung über eine Besprechung beim damaligen Logistikamt der Bundeswehr, die für Ende 2011 angesetzt gewesen sei und bei der es um Ergebnisse zum Treffverhalten des Gewehrs gehen sollte. Zu dieser Besprechung habe sich "kurioserweise ein Journalist" angekündigt, der aber nicht zugelassen worden sei, sagte der Beamte laut Niederschrift der Anhörung, die der "Süddeutschen Zeitung" vorlag.
"In einer späteren Untersuchung durch den MAD" sei dann ermittelt worden, "durch wen" der Journalist "die Information erhalten hat", gab der Beamte demnach an. In der Folge sei vereinbart worden, "Informationen nur noch über private E-Mail-Postfächer auszutauschen". Zu der Anhörung des Beamten kam es offensichtlich, weil 2014 interne Kritiker des G36 systematisch zur Rede gestellt worden waren.
Ministerium und Waffenhersteller widersprechen
Die Aussagen des Beamten stünden im Widerspruch zu bisherigen Angaben des Ministeriums von Ursula von der Leyen, schrieb die "SZ". So habe der Parlamentarische Staatssekretär Markus Grübel (CDU) in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage erst kürzlich geschrieben: "Der MAD hat im gesamten Kontext der G-36-Thematik ohne zeitliche Eingrenzung keine eigenen Ermittlungen oder Untersuchungen durchgeführt; er war an Ermittlungen oder Untersuchungen anderer nicht beteiligt; er war hierzu nicht beauftragt worden."
Hintergrund der Anfrage war die Tatsache, dass die Waffenschmiede Heckler&Koch Ende 2013 wegen Enthüllungen über das G36 den Geheimdienst einschalten wollte. Der MAD lehnte ein Vorgehen des Dienstes damals ab. Heckler&Koch hat geleugnet, an den MAD herangetreten zu sein.
Der Abgeordnete Jan van Aken von der Linken sagte der Zeitung mit Blick auf die Aussage des WTD-Beamten, unter von der Leyen sei "gelogen worden, und das müssen wir jetzt aufklären". Vorwürfe erhob die Opposition zudem wegen einer weiteren neuen Erkenntnis zu den Vorgängen rund um das G36. So gab es laut "SZ" für ein zentrales Gutachten zu diesem Gewehrtyp offensichtlich nie einen schriftlichen Untersuchungsauftrag. Wie das Ministerium dem Verteidigungsausschuss mitteilte, wurde das Fraunhofer Ernst Mach Institut 2013 lediglich "nach mündlicher Absprache" zwischen dem damaligen Institutsleiter und dem damaligen Leiter der Rüstungsabteilung mit einer Untersuchung der umstrittenen Waffe beauftragt.
G36-Kritiker mundtot gemacht?
Für zusätzlichen Wirbel könnten Berichte des ARD-Hauptstadtstudios sorgen, nach denen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums gezielt versucht haben sollen, Zweifel am G36 zu unterdrücken. Mehrere mit "VS - nur für den Dienstgebrauch" gekennzeichnete Niederschriften nach Anhörungen von Beamten Ende 2014 machten demnach deutlich, mit welchem Druck Mitarbeiter gegen eine kritische Prüfung des G36 vorgingen.
Mitarbeiter berichteten von verstärkter Einflussnahme des Ministeriums bei Qualitätsuntersuchungen, möglicher Rücksichtnahme auf Interessen der Firma Heckler&Koch sowie von "erheblichem Kompetenzgerangel" und dem Ausschluss von Beamten von bestimmten Untersuchungsarbeiten.
Im Verteidigungsausschuss des Bundestags wird an diesem Mittwoch Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) Stellung nehmen, von der Leyens Amtsvorgänger bis Dezember 2013. Seit März 2012 waren ihm Berichte über Präzisionsprobleme beim G36 bekannt.
SC/sp (afp, dpa, ARD, SZ)