Neue Reparationsansprüche
11. März 2015Die erlittenen Schäden liegen mehr als 70 Jahre zurück. Unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg waren Tausende Griechen ermordet worden, die Infrastruktur war verwüstet, und die Deutschen hatten der griechischen Notenbank eine Zwangsanleihe abgepresst. Im einzelnen hat Deutschland dafür nie gezahlt. Trotzdem ist das Thema für die Bundesregierung erledigt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin: "Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung für das Leid, das der Nationalsozialismus über viele Länder Europas gebracht hat, absolut und ständig bewusst."
Doch die Frage der Reparationen sei "rechtlich wie politisch abgeschlossen". Und Martin Jäger, der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, stellte unmissverständlich klar: "Wir werden keine Verhandlungen mit den Griechen führen." Die Bundesregierung hat immer wieder darauf verwiesen, dass 1960 im Rahmen einer Vereinbarung mit mehreren europäischen Regierungen 115 Millionen D-Mark gezahlt worden seien. Es habe außerdem ein "umfangreiches System von Wiedergutmachungsregeln" gegeben, das auch Griechenland zugute gekommen sei.
Kein Friedensvertrag - kein Geld
Doch für Griechenland ist das Thema keineswegs vom Tisch. Der Berliner Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis sagte der DW: "Sie haben es mehrfach versucht, vor nationalen und internationalen Gerichten. Sie haben bisher keinen Erfolg gehabt." Trotzdem, "ganz ausschließen würde ich die Chancen nicht." Beim Londoner Schuldenabkommen, das die alte Bundesrepublik in den 50er Jahren mit ehemaligen Kriegsgegnern abgeschlossen hatte, einigte man sich darauf, dass die endgültige Bereinigung deutscher Kriegsschulden einem Friedensvertrag vorbehalten bleibe. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung habe die deutsche Seite dann, so Battis, "bewusst vermieden, einen Friedensvertrag abzuschließen". Stattdessen hieß es dann: Zwei-plus-Vier-Vertrag. Daraus habe sich, so Battis, die deutsche Position ergeben: "Es gibt keinen Friedensvertrag, deshalb kriegt ihr auch nichts".
Gesamtforderungen so hoch wie die Staatsschulden
Genau das meinte Ministerpräsident Alexis Tsipras offenbar, als er jetzt im Parlament in Athen sagte, die deutschen Regierungen hätten sich seitdem "mit juristischen Tricks" vor Ansprüchen gedrückt. Der Jurist Battis räumt ein: "Eine gewisse Legitimität der Forderungen ist nicht zu bestreiten." Doch den Vorwurf der "juristischen Tricks" lehnt er ab, denn: "Alle, die beteiligt waren, haben ja unterschrieben. Wir haben ja nichts diktiert." Aus griechischer Sicht sei es aber verständlich, gerade in der jetzigen schwierigen Situation, "jede Karte zu spielen".
Tsipras hat zwar keine Zahlen genannt. Aber die griechische Zeitung "To Vima" hat am vergangenen Sonntag aus einer eigentlich als streng geheim eingestuften Untersuchung aus dem Jahr 2013 zitiert und dabei als Gesamtforderungen - also nicht nur aus den Zwangsanleihen - eine Summe von rund 300 Milliarden Euro genannt. Ob Zufall oder nicht, jedenfalls entspricht das ziemlich genau der Höhe der griechischen Staatsschulden. Mit anderen Worten, würde Deutschland die Forderungen in voller Höhe zahlen - wofür allerdings nichts spricht, wäre Griechenland auf einen Schlag alle seine Schulden los.
Gerichtsvollzieher war schon im Haus
Justizminister Nikos Paraskevopoulos will zur Durchsetzung notfalls sogar deutsche Immobilien pfänden. Dabei geht es zum Beispiel um das Goethe-Institut oder das Deutsche Archäologische Institut. Regierungssprecher Seibert lehnte jeden Kommentar dazu ab. Der deutsche FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff nannte die Idee "rechtswidrig" und kritisierte die griechische Justiz, die sich "vor den Karren einer politischen Kampagne spannen" lasse. Auch für Lamdsdorff sind alle Kriegsschulden beglichen. "Statt Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, sollte die neue griechische Regierung lieber den Kampf um die Zukunft aufnehmen."
Für Prof. Battis ist auch die Drohung von Justizminister Paraskevopoulos nichts Neues: "Bereits vor Jahren hat ein Gerichtsvollzieher im Goethe-Institut in Athen die Räume vermessen, um die Zwangsvollstreckung zu vollziehen". Doch "nach geltendem Recht und auf Grundlage der bestehenden Urteile" sei eine Pfändung unzulässig. Der Gerichtsvollzieher habe auch damals "nicht vollstreckt, weil Griechenland den Prozess verloren hat."
Deutsche Sympathisantin
Was Forderungen aus der Zwangsanleihe betrifft, so hat die griechische Regierung allerdings in der Bundestagsabgeordneten Annette Groth von der Linkspartei eine Fürsprecherin. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte sie: "Die Bundesregierung sollte mit Griechenland eine Lösung finden, wie die elf Milliarden Euro heute beglichen werden können." Die Höhe von elf Milliarden hatte bereits die griechische Vorgängerregierung des Christdemokraten Antonis Samaras ausgerechnet. Groth nahm den Vorschlag des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis auf, mit dem Geld eine Förderbank nach dem Modell der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau auszustatten.