documenta: Kritik an überklebtem antisemitischen Bild
16. August 2022Nach dem Banner "People's Justice" und der Broschüre "Presence des Femmes" steht nun das Werk "All Mining is Dangerous" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi im Zentrum der Kritik. Darauf zu sehen sind vier Personen mit Geldsäcken. Eine ist mit langer Nase und wulstigen Lippen dargestellt. Auf dem Kopf trägt sie eine Kippa. Für das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ist klar: "Die Darstellung ist offen antisemitisch, daran gibt es nichts rumzudeuten." Das Bild sei anlässlich einer größeren Recherche des Jungen Forums zur documenta fifteen am Standort Hallenbad-Ost entdeckt worden, so der Bundesvorsitzende Constantin Ganß gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Junge Forum der DIG wirft der Weltkunstschau documenta vor, die Kopfbedeckung einer abgebildeten Person "offensichtlich" mit einem schwarzen Stück Klebeband überklebt zu haben. "Es ist unfassbar, dass Verantwortliche bei der documenta denken, durch das Abkleben einer Kippa sei das Problem gelöst", erklärte Constantin Ganß in einer Pressemitteilung. Taring Padi müsse sofort von der documenta ausgeschlossen werden, da die Gruppe ein weiteres Mal durch ihren unmissverständlich gezeigten Antisemitismus auffalle. Dessen scheine man sich auch bewusst zu sein, sagte Lasse Schauder, Sprecher des Jungen Forums der DIG in Kassel: "Ansonsten würde man das Werk schließlich nicht still und heimlich überkleben."
Kuratorenteam sieht "keinerlei antisemitische Bildsprache"
Das indonesische Kuratorenteam der documenta15, Ruangrupa, wies die Vorwürfe zurück. Auch in Rücksprache mit Taring Padi sei in dem umstrittenen Werk "All Mining is Dangerous" (2010) keinerlei antisemitische Bildsprache zu verzeichnen, hieß es. Es würden derzeit umfassende Informationen zusammengetragen, um dies auch Kritikerinnen und Kritikern deutlich zu machen.
Zudem werde reflektiert, unter welchen Umständen es zu einer Veränderung der Bildbeiträge gekommen ist. "Diese Darlegung wird den Gesellschaftern zugeleitet, damit diese ihrerseits unter Hinzuziehung von fachlicher Expertise zu einer Bewertung gelangen können, die dann durch die künstlerische Leitung der 'documenta fifteen' zu würdigen sein wird", hieß es weiter.
Fehlende Kompetenz, Antisemitismus zu erkennen
Die Bildungsstätte Anne Frank, die nun einige Wochen lang Aufklärungsarbeit auf der documenta leistete, resümierte am Dienstag bereits vor Bekanntwerden der neuen Vorwürfe: Antisemitismus ist auch fest im Bildungsbürgertum verankert. Die Ausstellung sei in Hinblick auf Antisemitismus leider ein Spiegel der Gesellschaft. "Wenn Bildungsbürger an unseren Stand kommen und völlig selbstverständlich krude antisemitische Verschwörungstheorien äußern, dann muss das uns alle alarmieren", sagte die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte, Julia Alfandari, laut Mitteilung.
Trotz der wochenlangen Debatte stelle man fest, hieß es weiter, "dass auch im documenta-Publikum sehr wenig Wissen über Antisemitismus besteht und es an der Kompetenz mangelt, Antisemitismus überhaupt zu erkennen."
Umso wichtiger sei es, dass es auf der documenta jetzt einzelne Angebote der politischen Bildung gebe und Personen, die solchen Äußerungen widersprächen.
Die Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit müsse dringend fortgesetzt werden - auch nach der documenta, betonte Alfandari. Es werde die Aufgabe von Schulen und den Einrichtungen der politischen Bildung sein, diese aufgeheizte Stimmung aufzufangen und die diversen, teils komplexen Spannungsfelder in Bildungsangeboten zu vermitteln und produktiv zu bearbeiten.
bb/tl/fab(dpa,epd)