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Neuer Ärger um Problemgewehr G36

22. April 2015

Das Sturmgewehr G36 bereitet Verteidigungsministerin von der Leyen weiterhin Verdruss. Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss. In der Affäre gerät noch ein weiterer Minister in den Fokus.

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Ein Rekrut des Fernmeldebataillons 701 aus Frankenberg schießt auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz bei Nochten (Kreis Görlitz) während einer Schießübung mit seinem Gewehr vom Typ Heckler & Koch G36 (Archivbild von 2011: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Arno Burgi

Die Grünen haben von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) umfassende Aufklärung über die Präzisionsprobleme beim Sturmgewehr G36 gefordert. "Wenn von der Leyen an diesem Mittwoch im Verteidigungsausschuss nicht endlich für Klarheit über den desaströsen Umgang des Verteidigungsministeriums mit dem G36 sorgt, muss ein Untersuchungsausschuss die Missstände aufklären", sagte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Oppositionspartei. Von der Leyen nimmt heute in den Fachausschüssen des Bundestags zu den Problemen Stellung.

In der vergangenen Woche hatten Experten der Standardwaffe der Bundeswehr ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Nach ihren Untersuchungen sinkt die Trefferquote bei extremer Erhitzung von den erforderlichen 90 auf nur noch 7 Prozent. Von der Leyen lässt nun prüfen, ob die rund 167.000 G36 in den Beständen der Bundeswehr ausgemustert werden müssen. Die Opposition wirft ihr vor, in der Affäre zu zögerlich zu agieren. Neben den Grünen behalten sich auch die Linken die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor.

"Erheblicher Mangel"

Inzwischen gerät in der Angelegenheit auch Innenminister Thomas de Maizière unter Druck. Bereits im März 2012 sei der damalige Bundesverteidigungsminister in einer Vorlage an ihn persönlich detailliert über erhebliche Präzisionsprobleme des G36 unterrichtet worden, berichten "Spiegel Online" und die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf interne Dokumente. "Spiegel Online" schreibt, die Vorlage, die de Maizière abgezeichnet habe, decke sich mit den Ergebnissen der gerade vorgestellten Untersuchung verschiedener Institute über die gravierenden Probleme des G36, wenn es heiß geschossen ist.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr Vorgänger Thomas de Maiziere (Foto: dpa)
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr Vorgänger, Innenminister Thomas de MaiziereBild: picture-alliance/dpa

Das Phänomen der Ausweitung des Streukreises und der abnehmenden Trefferwahrscheinlichkeit stelle "aus militärischer Sicht einen erheblichen Mangel" dar, zitierten beide Medien aus dem internen Papier. De Maizere habe eine neue Vorlage mitsamt einer Chronologie der Ereignisse verlangt, in der es dann hieß, eine "belastbare Aussage" zur Einsatzfähigkeit der Waffe sei erst nach dem Abschluss weiterer Untersuchungen möglich.

Warnung ohne Konsequenzen

Trotz der Warnung seien bis zum Ende von de Maizières Amtszeit kaum Konsequenzen gezogen worden, schreibt "Spiegel Online". Der weitere Ankauf von G36-Gewehren sei nicht gestoppt oder zumindest angehalten worden. Vielmehr seien im April 2012, also kurz nach der Warnung an den Minister, 3770 zusätzliche G36-Modelle bestellt worden.

Das neue Gutachten gab seine Nachfolgerin von der Leyen im Juni 2014 in Auftrag, ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt. Der G36-Hersteller Heckler & Koch aus Oberndorf (Baden-Württemberg) zweifelt die Expertise an und hat schon mehrfach erklärt, aus seiner Sicht funktioniere die Waffe einwandfrei.

Der Bundeswehrverband forderte unterdessen schnellen Ersatz für das umstrittene Sturmgewehr. Zwar vertrauten die Soldaten weiter ihrer Standardwaffe, sagte Verbandschef André Wüstner. "Natürlich erwarten sie dennoch, dass als Konsequenz eine neue Waffe beschafft wird - und das wesentlich schneller als in den anvisierten zehn Jahren." Das Bundesamt für die Ausrüstung der Bundeswehr hatte geschätzt, dass ein Austausch bis zu zehn Jahre dauern würde.

Das G36 gehört seit 1996 zur Standardausrüstung jedes Bundeswehrsoldaten. Das Gewehr besteht zum großen Teil aus Kunststoff und ist deswegen mit einem Gewicht von dreieinhalb Kilogramm vergleichsweise leicht. 8000 G36-Gewehre hat die Bundeswehr an die kurdische Armee im Nordirak für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat abgegeben. Die Peschmerga-Kämpfer sind mit dem G36 vollauf zufrieden. "Die Waffe ist super", sagte der Peschmerga-Minister Mustafa Sajid Kadir der dpa. "Wir hätten gerne mehr davon."

stu/rb (afp, dpa)