Neuer Staatschef soll Bolivien beruhigen
10. Juni 2005Angesichts der Unruhen im Land hatte Carlos Mesa schon am Montag (6.6.2005) seinen Rücktritt angeboten. Eigentlich hätten die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus ein Recht darauf gehabt, ihn im Amt zu beerben. Doch beide hatten verzichtet; Senatschef Vaca Díez ist als Vertreter der bei vielen Bolivianern verhassten Traditionsparteien ohnehin unbeliebt. Am Donnerstag (9.6.2005) waren alle 27 Flughäfen des Landes wegen eines unbefristeten Streiks gegen Díez geschlossen geblieben; Tausende hatten gegen ihn demonstriert.
Neuwahlen sind Pflicht
Nun aber ist der bisherige Präsident des Obersten Gerichts, Eduardo Rodríguez, neuer Staats- und Regierungschef – bereits der dritte innerhalb von nicht einmal zwei Jahren. Weil die letzte Wahl weniger als drei Jahre zurückliegt, muss muss der 49-Jährige laut Verfassung Neuwahlen ausschreiben. Sechs Monate hat er dafür Zeit. Neuwahlen sehen auch Mesa selbst sowie sein Gegner (der Protestführer Evo Morales) und die katholische Kirche als einzigen Ausweg aus der Krise.
Abgeordnete fliehen vor Demonstranten
Bolivien wird seit Wochen von Massenprotesten erschüttert. Die Demonstranten blockieren Straßen; Lebensmittel und Benzin sind überall knapp. Wegen der Unruhen verlegte der Kongress seine Sitzung vom Regierungssitz La Paz in die 600 Kilometer südlich gelegene Hauptstadt Sucre. Doch hunderte Bauern und Bergarbeiter reisten hinterher, um den Kongress unter Druck zu setzen. Dabei wurde in einem Vorort der Hauptstadt ein Minenarbeiter bei Zusammenstößen mit der Polizei erschossen.
Arme Schichten sollen vom Gas profitieren
Die Demonstranten – ein Bündnis linker Gruppen mit Indios, Bergarbeitern und Koka-Bauern – fordern die Verstaatlichung der bolivianischen Erdgasindustrie. Sie werfen der Elite sowie ausländischen Unternehmen vor, sich einseitig an den Bodenschätzen zu bereichern und fordern, dass die Erträge den verarmten Schichten im Land zugute kommen. Bolivien hat die zweitgrößten Erdgasvorkommen Lateinamerikas. (reh)