Neues Geschäftsmodell für Kleinbauern
30. November 2012Qualitativ hochwertiger Kakao ist ein seltenes Gut: Das musste unter anderem der weltweit größte Schokoladenhersteller Kraft Foods Inc. feststellen. Wie auch bei Kaffee oder Tee befindet sich der Großteil der weltweiten Produktion in den Händen von Kleinbauern in Entwicklungsländern. Für sie lohnt sich der zeit- und arbeitsintensive Anbau bei starken Preisschwankungen für Agrarprodukte jedoch kaum.
Um die Kakaoversorgung sicherzustellen, nahm Kraft Foods direkten Kontakt mit Kakaobauern in der Elfenbeinküste auf: Der Konzern garantierte den Bauern, ihnen alle Kakaobohnen abzukaufen, die internationale Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards aufwiesen - zu einem fairen Preis. Damit sollten die Bauern neben Planungssicherheit auch einen Anreiz für Investitionen und Qualitätssteigerung bekommen. Um einen zentralen Ansprechpartner zu haben und die Kakaobohnen schnell zu den bearbeitenden Betrieben zu bekommen, stärkte der Konzern außerdem die lokalen Genossenschaften und richtete Transportsysteme ein.
"Das war innerhalb weniger Jahre so erfolgreich, dass die Erträge um rund die Hälfte gesteigert werden konnten und die Bauern für ihren Kakao Prämienzahlungen erhielten", sagt Christina Gradl vom unabhängigen Forschungsinstitut Endeva (Enterprise solutions for development).
Neue Märkte in Entwicklungsländern
Die Zusammenarbeit zwischen Kraft Foods Inc. und den Bauern der Elfenbeinküste ist ein Beispiel für Inclusive Business - der direkten Einbeziehung armer Menschen in Entwicklungsländern in die Märkte. "Neu ist, dass man versucht, ganz eng mit den Kleinbauern zu kooperieren, unter anderem auch, weil die Konsumenten immer mehr darüber wissen wollen, wo ihre Produkte herkommen", sagt Christina Gradl. In ihrem Ende November vorgestellten Leitfaden "Growing Business with Smallholders" beschreibt sie erfolgreiche Ansätze für unternehmerische Lösungen im Bereich Entwicklung.
Wie bei jedem Geschäft - so der Gedanke - sollen beide Seiten profitieren."Die Bauern verkaufen ihre Produkte an die Firmen, aber sie brauchen auch Saatgut, Bewässerungssysteme, Dünger und mehr - da sind sie in der Rolle der Konsumenten", erläutert die Expertin. Den Unternehmen gehe es neben der Stärkung ihrer Zulieferketten also vor allem um die Erschließung neuer Märkte in den zukünftig stark wachsenden Entwicklungs- und Schwellenländern.
So auch der deutsche Chemiekonzern BASF, der erfolglos versucht hatte, Pflanzenschutzmittel über Zwischenhändler an Kleinbauern in Indien zu verkaufen. Denn die Bauern wussten nicht, wie sie mit den Produkten umgehen sollten und ob sich die Investition in die Mittel überhaupt lohnen würde, so Gradl. 2006 startete der Chemiekonzern das "Samruddhi Farmer Training Projekt", bei dem Sojabauern nicht nur im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und Düngern geschult wurden, sondern auch Kenntnisse in den Bereichen Marketing und Buchhaltung erwerben konnten. "Durch den Einsatz der Mittel und das neue Wissen konnten die Bauern 50 Prozent höhere Erträge erwirtschaften, und für die Firma BASF ist ein neuer Markt entstanden, mit insgesamt 120.000 Farmern bislang", erklärt Gradl.
Unternehmerische Lösungen zur Armutsbekämpfung
Allerdings stoßen sowohl die Unternehmen als auch die Bauern noch immer auf Probleme, erklärt Christina Gradl. Dazu gehöre neben dem oft mangelhaften Know-How der Bauern und der schlechten Infrastruktur in den ländlichen Gebieten, dass es keinen verlässlichen Rechtsrahmen für die Geschäftspartner gebe. Hier käme den Partnern aus der Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle zu, die ihre Erfahrung etwa bei der Gestaltung von Verträgen einbringen könnten.
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt unternehmerische Lösungen zur Armutsbekämpfung. "Aus entwicklungspolitischer Sicht besteht daran Interesse, weil es ein nachhaltiges Konzept ist, das sich - wie jedes Geschäft - selber aus den Erträgen finanziert und deshalb nicht dauerhaft auf Spenden oder Steuergelder angewiesen ist", sagt Christina Gradl. Außerdem seien im Gegensatz zu konventionellen Formen der Entwicklungszusammenarbeit die Anreize klar, denn der Geldgeber ist auch der Empfänger einer Leistung.
Bauern vorerst noch in schlechter Verhandlungsposition
Friedel Hütz-Adams von der Nichtregierungsorganisation Südwind ist da skeptischer. Zwar begrüßt er grundsätzlich die neuen Möglichkeiten, die das Konzept des Inclusive Business den Kleinbauern im Idealfall bieten könnte, wie zum Beispiel die Möglichkeit, an geschäftsorientierte Kredite zu kommen. Es sei aber noch zu früh, um endgültige Aussagen zu treffen: "Das sind sehr mächtige Unternehmen, denen sehr kleine Bauern gegenüberstehen - und da ist dann die Frage, ob man da eine Balance bekommt, sodass die Einkommen der Bauern steigen, die Armut sinkt und die Unternehmen davon profitieren." Hütz-Adams sieht auch die Gefahr, dass die Produktivitätssteigerungen, die durch die Projekte erreicht werden, mittelfristig zu einem Überangebot führen, so dass die Preise für Agrarprodukte wieder sinken.
"Allerdings stehen die Unternehmen unter zusätzlichem Druck: Bei vielen Rohstoffen herrscht immer stärkere Konkurrenz, weil die Anbauflächen weltweit knapper werden und die Bevölkerung und damit auch die Nachfrage wächst", sagt Hütz-Adams im DW-Interview. Bis 2050 werden voraussichtlich rund zwei Milliarden Menschen mehr auf der Erde leben. Experten gehen davon aus, dass die Nahrungsmittelproduktion um 50 Prozent gesteigert werden muss, um den Bedarf zu decken. Da Kleinbauern auf weltweit 500 Millionen Bauernhöfen den Großteil der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche bewirtschaften und - im Gegensatz zu Großbetrieben in Industriestaaten - noch über ein hohes Potential für Produktivitätssteigerungen verfügen, werden sie als Geschäftspartner unersetzlich sein.