Neue Autos gegen die Krise
10. September 2013Man könnte von einem guten Timing sprechen: Gerade noch rechtzeitig zum Start der 65. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main zeigen sich beim Sorgenkind der Branche, dem europäischen Markt, erste Hoffnungsschimmer. Von Trendwende will noch keiner sprechen, dafür sind die Schleifspuren im Lack nach fünf Jahren Krise zu tief - aber immerhin ist von Bodenbildung die Rede. Und das bei einer Branche, die vor Kraft sonst kaum laufen kann. Nur die guten Zahlen aus Asien und den USA retten die Stimmung von Matthias Wissmann, dem Chef des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA).
Ganz vorsichtiger Optimismus
Leider sei der europäische Markt in den letzten Jahren schwach gewesen: 11,2 Millionen verkaufte Fahrzeuge in diesem Jahr, das seien drei Millionen weniger als in normalen Jahren, so Wissmann im DW-Gespräch. "Unser Eindruck aber ist, dass es in Westeuropa auf dem Automarkt eine Bodenbildung gibt." Und er hofft, dass es von diesem Wendepunkt aus langsam wieder nach oben gehe. "Wir erwarten nicht, dass 2014 die Zahlen explodieren. Aber wir hoffen doch, dass sie dann nicht erneut nach unten gehen." Jüngste Daten der vergangenen beide Monate würden zumindest darauf hindeuten.
Wirklich optimistisch klingt das nicht. Nun soll die Messe in Frankfurt, die offiziell am kommenden Donnerstag (12.09.2013) von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet wird, für neue Impulse sorgen. Die Autobauer haben sich Mühe gegeben: 159 Weltpremieren werden gezeigt, sie sollen die Menschen wieder in die Autohäuser locken. Geboten werden Autos für jeden Geldbeutel und mit allerlei Antriebsformen. Vom guten, alten Verbrennungsmotor bis hin zum Elektroauto. Der Daimler-Konzern zum Beispiel setzt hier in Frankfurt seine Produktoffensive mit fünf Weltpremieren fort.
Daimler-Chef sieht "langen Weg"
Vorstandschef Dieter Zetsche glaubt ebenfalls, die Talsohle gesehen zu haben und erwartet Ende des Jahres und 2014 eine leichte Erholung, "leicht, mehr nicht," wie er gegenüber der DW betont. "Es wird ein längerer Weg sein, bis wir wieder in Stückzahlen kommen können, die wir schon gesehen haben in Europa." Trotz allem seien die Werke sehr gut ausgelastet, man fahre sogar Sonderschichten, ergänzt Produktionsvorstand Andreas Renschler. Daimler-Chef Zetsche glaubt übrigens immer noch an den Automarkt Europa: "Das Wachstum wird primär von anderen Märkten kommen. Aber absolut gesehen werden wir große Mengen nach wie vor in Europa verkaufen."
Die anderen Märkte, das sind vor allem die Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Russland. Doch gerade da scheint der jahrelange Boom derzeit ins Stocken zu geraten. Durchkreuzt das die Pläne von Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, bis 2018 die Nummer Eins in der Welt zu werden? Nein, sagt er, der Volkswagen-Konzern sei sehr global aufgestellt. "Sie wissen, wir haben über 100 Fabriken weltweit. Und Gott sei Dank schwächelt China nicht, sondern wächst weiter." Auch die USA, Südamerika sowie Indien und Russland würden wachsen, so Winterkorn weiter. "Und wir hoffen, dass Europa irgendwann zurückkommt."
Elektroautos kommen
VW nutzt die IAA auch für den Startschuss ins elektromobile Zeitalter und kündigt bis zum kommenden Jahr 14 Elektro- und Hybrid-Modelle an, allesamt auf Basis bisheriger Produkte wie dem Golf oder dem Stadtflitzer up. Anders die Strategie bei BMW. Die Bayern haben unlängst den i3 auf die Straße geschickt, ein Elektroauto mit komplett eigenständigem Design. Und das, obwohl Deutschland eher Entwicklungsland in Sachen Elektromobilität ist. BMW-Chef Norbert Reithofer legt da lieber die globale Messlatte an. Im Jahr 2012 seien weltweit 90.000 Elektrofahrzeuge und E-Autos mit Reichweiten-Verlängerer verkauft worden. Und die Prognose für 2013 läge bei ca. 150.000, so Reithofer zur DW. "Das sieht völlig anders aus als die 4000 verkauften Fahrzeuge in Deutschland in diesem Jahr." Man werde dafür kämpfen, "auch vernünftige Marktanteile zu bekommen."
Opels nächster Neustart
Um Marktanteile kämpft auch Opel, und nicht nur das: Die lange Krise hat das Image der Marke schwer leiden lassen. Mit Karl-Thomas Neumann versucht nun ein Ex-VW-Manager den Karren wieder flott zu kriegen. Mit gleich sieben Weltpremieren will die GM-Tochter die Wende zum Besseren schaffen - und Neumann ist optimistisch, dass dies gelingt. Man habe ein eindeutiges Ziel definiert: 2016 solle Opel wieder schwarze Zahlen schreiben. "Wir wollen in erster Linie in Europa wachsen, obwohl der Markt hier flach ist und sich nicht mehr so stark entwickeln wird." Trotzdem glaubt Neumann, dass Opel eine Chance habe, zurück zu kommen und auch Marktanteile zu gewinnen. "Weiteres Wachstum kann sich an den Rändern Europas ergeben, wir zielen sehr stark auf die Türkei und auf Russland."
Sein Problem: Auf dem Markt in Asien darf Opel seine Autos nicht verkaufen, so die Ansage aus dem Mutterhaus in Detroit. Und ein weiteres Problem hat Opel genau wie alle anderen Autohersteller: Das Auto hat es mittlerweile schwerer als noch vor 10 Jahren - man sei, so formulierte es VW-Chef Winterkorn, mitten in einem "fundamentalen Wertewandel."Car-Sharing oder auch das deutlich gewachsene Umweltbewusstsein führten zu einer ganz neuen Einstellung vieler Menschen zum Thema Mobilität. Wie sich die Hersteller dieser Herausforderung stellen, das ist eines der spannendsten Themen auf der IAA in Frankfurt.