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Politik

Neven Subotic: Ich schaue nicht weg

26. Oktober 2016

Der Bundesliga-Star von Borussia Dortmund setzt sich mit seiner Stiftung für Kinder in Afrika ein. Seine Motivation zu helfen beruht auch auf seiner persönlichen Erfahrung: Subotic kam als Flüchtling nach Deutschland.

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Neven Subotic Stiftung
Bild: Neven Subotic Stiftung/Patrick Temme

Fußballstar hilft Kindern in Afrika

Deutsche Welle: Herr Subotic, seit der Gründung Ihrer Stiftung 2013 engagieren Sie sich in Afrika. Was machen Sie dort?

Neven Subotic: Wir sind in den ärmsten Regionen der Welt unterwegs und sichern dort die Lebensgrundlagen, vor allem die der Kinder vor Ort. Durch den Zugang zu Wasser wollen wir zum einen die Gesundheit der Kinder fördern, zum anderen möchten wir ihnen  Zeit schenken, die in ihre Zukunft bzw. in Bildung investiert werden kann

Die Neven Subotic Stiftung lässt Brunnen und Sanitäranlagen bauen. Warum?

In vielen abgelegenen Regionen Afrikas sind Wasserquellen extrem weit entfernt - durchschnittlich sechs Kilometer. Jeden Tag ist man dann vier, fünf Stunden unterwegs, nur um Wasser zu holen. Diese vier, fünf Stunden, die vor allem Frauen und Kinder jeden Tag gehen müssen, könnten viel besser in den Besuch einer Schule investiert werden. Wir versuchen daher, diesen Weg zur nächsten Wasserquelle drastisch zu reduzieren, auf maximal fünfzehn Minuten. Die gesparte Zeit und der dadurch vermiedene körperliche Aufwand kann dann in Bildung investiert werden.

Das eigentliche Ziel Ihrer Projekte ist also die Bildung - als Investition in die Zukunft?

Wir wollen den Kindern die Möglichkeit der Bildung als elementare Bedingung für eine selbstbestimmte Zukunft nicht vorenthalten. Bildung ist ein wichtiger Schritt in jedem Land, ganz besonders aber in den ärmsten Regionen der Welt. Ohne Wasser gibt es keine Gesundheit, ohne Gesundheit keine Bildung, und ohne Bildung keine Zukunft. Deswegen bauen wir die Brunnen in der Nähe von Schulen.

Neven Subotic Stiftung - Neven Subotic
Der Fußball-Profi von Borussia Dortmund will den Kindern in Afrika helfenBild: DW/S. Matic

Sehen Sie schon Fortschritte? Gehen jetzt mehr Kinder in die Schule als vor drei Jahren?

Wir haben Schulen, wo die Schule vor Projektbeginn 300 Schülerinnen und Schüler hatte und ein Jahr nach Projektvollendung 420. Dies entspricht einem 40-prozentigen Zuwachs. Das ist nur eine der Zahlen, die uns bestätigt: Wenn die Anlagen da sind, dann kommen auf einmal 120 Schüler mehr. Und das nur innerhalb des ersten Jahres. Das zeigt das Potenzial. Vor allem Mädchen, deren Intimsphäre durch die Sanitäranlagen geschützt wird, profitieren enorm.

Kaum vorstellbar, dass es so was in unserer Welt noch gibt…

Ich fühle mich auch manchmal wie in einer anderen Welt. Hier haben wir alles. Ein paar Flugstunden weiter fehlt es den Menschen am Nötigsten, um zu überleben. Das darf nicht sein.

Armut und Leid gibt es überall in der Welt, auch in Bosnien-Herzegowina, dem Land aus dem Sie stammen. Sie engagieren sich aber in Afrika. Warum Afrika?

Ich habe mich nicht für Afrika als Kontinent entschieden. Wir haben uns auch nicht für Äthiopien entschieden. Sondern wir haben uns für die ärmsten Regionen der Welt entschieden. Ich bin davon überzeugt dass wir in einer sehr ungerechten Welt leben. Welche Chancen man überhaupt im Leben hat, hängt maßgeblich davon ab, wo man geboren wurde, welche Eltern man hat. Das ist alles andere als gerecht, und deshalb wollen wir dafür sorgen, dass die Welt ein bisschen gerechter wird. Denn sie neigt leider dazu, immer ungerechter zu werden, vor allem in den letzten Jahren.

Sie sind 27, spielen in einer der besten Fußballmannschaften Europas. Junge Leute in Ihrem Alter regen sich wegen explodierender Handys auf. Sie aber kümmern sich um sanitäre Anlagen in Afrika. Wie kam es dazu?

Ich hatte einfach die Möglichkeit, vor Ort zu sein, und habe den höchsten Respekt für die Menschen, die es am schwersten haben. Wenn man sieht, welche Herausforderung sie zu bewältigen haben, ohne die Schuld jemand anderem zuzuschieben, ist das einfach der Wahnsinn. Wir leben in einer gemeinsamen Welt. Der Junge, der da drüben in Afrika lebt, ist nicht viel anders als irgendein Junge hier in Dortmund. Wenn man das versteht, ist es einfacher, Respekt gegenüber den anderen zu haben, die anderen zu lieben und den anderen zu helfen.

Hat diese Einstellung auch was zu tun mit Ihrem persönlichen Schicksal? Sie wurden in Bosnien-Herzegowina geboren. Ihre Familie ist vor dem Krieg auf dem Balkan geflohen, Sie waren damals gerade anderthalb Jahre alt.

Ja, das war 1990. Damals haben wir Hilfe benötigt. Und wir haben sie bekommen. Wir lebten in der Nähe von Pforzheim. Es gab da eine süße Oma, Frau Stumpf, die uns ihre Wohnung zur Verfügung gestellt hat. Mit einem festen Wohnsitz konnten wir dann einen Asylantrag stellen. Wir hatten viel Glück. Als ich 17 war und in Mainz spielte, war ich auch selbst in der Lage, etwas zurückzugeben. Ich engagierte mich in einem Waisenhaus. So fing alles an mit dem humanitären Engagement.

Was war denn entscheidend dafür?

Ich glaube, es ist nicht entscheidend, woher man kommt, oder was man erlebt hat in seinen jungen Jahren. Das Wichtigste ist, nicht nur für sich selbst zu kämpfen im Leben, sondern auch für die soziale Gemeinschaft. Ich schaue nicht weg, nur weil es bequemer ist. Ich schaue hin und gucke, wo ich gebraucht werde. Und dann setze ich mich dafür ein. Das erfüllt, das macht mir Spaß.

Was sagen Ihre Mitspieler beim BVB dazu? Reden Sie darüber mit Ihnen?

Es gibt einige Spieler in der Mannschaft, die sich mal informiert haben über das, was ich mache. Es ist nicht unbedingt ein Thema für die Umkleidekabine eines Bundesligisten. Generell ist das eher ein Thema, das nicht nur im Fußball, sondern insgesamt in der Welt eher nicht im Fokus steht. Es ist aber schön zu sehen, wenn sich ein paar Spieler damit etwas näher auseinandergesetzt haben.

Neven Subotic Stiftung
Es werden Brunnen und Sanitäranlagen gebautBild: Neven Subotic Stiftung/Patrick Temme

Und die Fans?

Wir hatten auch ein paar Aktionen im Stadion. Jeder hatte so die Möglichkeit, selber einmal 20 Liter zu tragen - die durchschnittliche Menge an Wasser, die Frauen und Kinder in Äthiopien täglich von der Wasserquelle bis nach Hause tragen - und zu sehen, wie schwer das ist für die Frauen und die Kinder in den Gemeinden in Afrika. Das nächste Mal, wenn man dann so ein Bild im Fernsehen sieht, hat man bereits eine persönliche Verbindung zu diesem Bild und durch diese Verbindung ist man gleichzeitig auch sensibilisiert für dieses Thema.

Wie reagieren die Kinder in Äthiopien auf Sie? Wissen sie eigentlich dass Neven Subotic ein Bundesliga-Star ist?

Nein. Dort gibt es keinen Strom, keinen Fernseher, keine Nachrichten. Sie wissen nicht, dass ich Fußballer bin, dass ich Geld mit dem Sport verdiene. Sie kennen das nicht, für sie müsste das eher ein lustiger Gedanke sein, denke ich. Es geht aber auch nicht um mich oder um uns. Wir sind dort, um zuzuhören, was sie zu sagen haben. Und das sind eben die schönsten Momente des Tages. Einfach zuzuhören. Das wird man ganz, ganz schnell geerdet.

Das Gespräch führte Srecko Matic.

Neven Subotic ist Profifußballer bei Borussia Dortmund. Er wurde in Bosnien-Herzegowina geboren. Seine Familie flüchtete vor dem Krieg auf dem Balkan, zuerst nach Deutschland, später dann in die USA. 2013 gründete er die Neven-Subotic-Stiftung. Durch die Arbeit der Stiftung werden in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, Brunnen gebaut und der Zugang zu Sanitäranlagen gesichert. Rund 50 Prozent der Einwohner Äthiopiens haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.

 

Ein Mann mit Glatze, der einen Anzug trägt, steht vor einer Leinwand, auf der "Europa u fokusu" steht - der Name der kroatischen TV-Sendung der DW
Srecko Matic Redakteur, Autor, Reporter, vor allem für DW Bosnisch/Kroatisch/Serbisch