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NGO enthüllt Korruptionsskandal im Südsudan

Isaac Mugabi
12. Oktober 2022

Südsudans Präsident und seine Entourage sollen sich etliche Millionen Dollar angeeignet haben - Geld, das eigentlich für Benzin und Nahrungsmittel vorgesehen war. Die Regierung spricht von Verleumdung.

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Südsudan - Strassenszene in der Hauptstadt Dschuba
Ein junger Südsudanese verkauft in Wasserflaschen abgefülltes Benzin am StraßenrandBild: Matthias Tödt/ZB/picture alliance

Neugeborene, die in Südsudans Krankenhäusern erstickten, weil die Generatoren für Beatmungsmaschinen kein Benzin hatten. Menschen, die starben, weil es keine Medikamente gab. Und Kredite in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar, mit denen diese dringend benötigten Güter hätten gekauft werden können, wenn die Gelder nicht in einem Labyrinth internationaler Briefkastenfirmen verschwunden wären. Es ist ein handfester Korruptionsskandal, dem ein Team von Investigativjournalisten der Nichtregierungsorgamisation The Sentry drei Jahre lang nachgegangen ist.

In ihrem jetzt veröffentlichten Bericht "Cash Grab" macht die Organisation für Investigativrecherchen und politische Strategien die Führungselite des gerade elf Jahre alten Südsudan für die eklatanten Missstände verantwortlich: Die Familie des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir und sein innerer Kreis von Militärgenerälen hätten sich auf Kosten der Ärmsten bereichert. Die Folge: Ein Mangel an Nahrung, Benzin und medizinischen Produkten, der das Land noch "über Jahre" beschäftigen sollte. Wie viele Menschen das mit dem Leben bezahlten, sei noch nicht berechnet.

Wie sich der mutmaßliche Betrug abspielte

Es begann mit einem Kreditprogramm, das es südsudanesischen Unternehmen in den Jahren nach der Unabhängigkeit ermöglichen sollte, dringend benötigte Güter zu importieren und zu erschwinglichen Preisen im Land zu verkaufen, so der Bericht: "Zwischen 2012 und 2014 unterzeichnete die südsudanesische Zentralbank mehrere Kreditvereinbarungen mit der der katarischen Regierung gehörenden Qatar National Bank (QNB) und CfC Stanbic, einer Tochtergesellschaft der südafrikanischen Standard Bank Group", heißt es dort. 

"Die Vereinbarungen ermöglichten es dem Südsudan, Kredite in Höhe von 993 Millionen Dollar aufzunehmen: 793 Millionen Dollar von der QNB und 200 Millionen Dollar von der CfC Stanbic." Zurückgezahlt werden sollten die Kredite durch die Einnahmen aus der Ölproduktion, die nach Jahren des Bürgerkriegs wieder aufgenommen werden sollte.

Doch laut den Recherchen von The Sentry wurde das Geld zwar abgerufen, aber nicht für Benzin oder Medikamente eingesetzt. "Mehrere Mitglieder der Familie von Präsident Salva Kiir erhielten Kreditverträge im Wert von 12 Millionen Dollar, bei denen es kaum Beweise für die Lieferung von Waren gibt", sagt Debra LaPrevotte, Autorin des Berichts, im DW-Interview und fügt hinz: "Kiirs Kinder erhalten weiterhin Regierungsaufträge."

Salva Kiir Mayardit | sudanesischer Präsident
Im Zentrum der Kritik: Südsudans Präsident Salva KiirBild: Brian Inganga/AP Photo/picture alliance

The Sentry untersuchte unter anderem 13 ugandische Unternehmen, die für den Export von Arzneimitteln im Wert von 20 Millionen Dollar unter Vertrag genommen worden waren, und stellte fest, dass keines von ihnen einen realen Standort oder eine von der ugandischen Arzneimittelbehörde ausgestellte Lizenz hatte.

Mitzubringen: Treibstoff für ärztliche Behandlung

Auf dem Höhepunkt des Programms, "als Waren im Wert von Hunderten von Millionen Dollar auf den Märkten hätten ankommen sollen, waren mehr als zwei Millionen Menschen ohne Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff", heißt es in dem Bericht. Die Schulden hingegen würden das Land weiter belasten: "Lebensmittel-, Medikamenten- und Treibstoffknappheit halten bis heute an." 

TABLEAU | Internationaler Tag gegen Kinderarbeit 2021 | Südsudan, Nyamlel
Im Südsudan sind 60 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahre alt, und laut Unicef gehen über 70 Prozent der Kinder nicht zur SchuleBild: Stefanie Glinski/AFP/Getty Images

Laut The Sentry gingen die Missstände so weit, dass Patienten abgewiesen wurden, wenn sie nicht in der Lage waren, die für ihre Versorgung erforderlichen Materialien, einschließlich Benzin, bereitzustellen. "So wurde einer Frau, die einen Kaiserschnitt benötigte, gesagt, sie solle einen Kanister (etwa 20 Liter) Treibstoff für den Eingriff mitbringen", heißt es in dem Bericht. Der Durchschnittspreis damals: Mehr als ein halbes Monatsgehalt.

Im Januar 2016 seien demnach zehn Patienten im Lehrkrankenhaus der Hauptstadt Juba gestorben, weil es keinen Treibstoff für die Generatoren gab und die Ärzte dringende Operationen nicht durchführen konnten.

Regierung droht Kritikern mit Klage

Boboya James, südsudanesischer Wirtschaftsanalyst, erklärt der DW, dass der Bericht "die Diskussion über das Vertrauen der südsudanesischen Bevölkerung in die Regierung weiter anheizen wird. Wenn man ihnen Geld gibt, stehlen sie es." Er erwarte von der Regierung, "dass sie eine Untersuchung durchführt, die Beschuldigte vor Gericht stellt und später zu Haftstrafen verurteilt".

Der südsudanesische Informationsminister Michael Makuei drohte, seine Regierung werde rechtliche Schritte gegen The Sentry einleiten, weil die NGO das Image des Landes beschädigt habe. Im DW-Gespräch zeigt sich Makuei empört: "Diese Leute sind zu Feinden der Regierung und der Menschen im Südsudan geworden. Sie haben viele gefälschte Berichte gegen die Regierung geschrieben, und wir haben die ganze Zeit geschwiegen. Aber dieses Mal werden wir sie vor Gericht bringen."

Autorin LaPrevotte erklärt gegenüber der DW, dass mehrere Versuche, das Informationsministerium zu erreichen, fehlgeschlagen seien, "weil wir keine funktionierende E-Mail-Adresse finden konnten". Nur zwei der im Bericht Genannten hätten sich zurückgemeldet.

Zeit für Ermittlungen

Auch wenn das gesamte Ausmaß des Betrugs vielleicht nie aufgedeckt werde, "gibt es Maßnahmen, die ergriffen werden können, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Vergabe öffentlicher Mittel zu fördern und sicherzustellen, dass die Menschen im Südsudan nicht noch einmal in diesem Ausmaß betrogen werden", schließt der Bericht.

Im Jahr 2021 wurde der Südsudan auf dem Korruptionsindex von Transparency International zum zweiten Mal in Folge als das korrupteste Land der Welt eingestuft. Die Vereinten Nationen berichteten im September 2021 außerdem, dass "2018 mehr als 73 Millionen Dollar abgezweigt wurden, darunter Transaktionen im Wert von fast 39 Millionen Dollar in einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren".

Mitarbeit: Waakhe Simon Wudu (Juba)