Nicaraguas Präsident verweigert Neuwahlen
8. Juli 2018Trotz der blutigen Proteste gegen die Regierung lehnt Präsident Daniel Ortega die von der Opposition geforderten Neuwahlen ab. "Die Wahlen werden abgehalten, wie das Gesetz es vorschreibt. Alles hat seine Zeit", sagte Ortega bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Ende Mai vor Tausenden Anhängern in der Hauptstadt Managua. Die katholische Kirche, die in dem Konflikt im Land vermittelt, hatte Ortega Anfang Juni den Vorschlag übermittelt, die für 2021 geplanten Wahlen auf März 2019 vorzuziehen. Ortega schwieg zunächst zu der Forderung. Die Opposition warf ihm vor, der Frage auszuweichen.
Die jüngsten Proteste gegen die Regierung hatten sich im April an einer geplanten Sozialreform entzündet. Mittlerweile fordern die Demonstranten allerdings den Rücktritt von Präsident Ortega, ein Ende der Gewalt und eine freie Presse. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften, regierungsnahen Paramilitärs und Regierungsgegnern wurden nach Angaben von Menschenrechtlern bereits über 300 Menschen getötet.
Die US-Regierung hat bereits reagiert und angeordnet, das nicht dringend erforderliche Personal von der Botschaft in Managua abzuziehen. Zugleich wurden US-Bürger wegen "Verbrechen, Unruhen und begrenzter Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung" vor Reisen in das zentralamerikanische Land gewarnt.
Ortega unterstützte Pläne zum Nicaragua-Kanal
In seinen fast vier Jahrzehnten in der Politik hat Ortega eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht: vom idealistischen linken Rebellen zum autoritären Alleinherrscher. Nach dem Sieg der Revolution gegen die Somoza-Diktatur 1979 war Nicaragua Sinnbild der internationalen Linken für Frieden und Freiheit. Später verbündete sich Ortega dann mit dem Großkapital und schlug einen neoliberalen Wirtschaftskurs ein. Viele öffentliche Gelder sollen über dunkle Kanäle in die Taschen seiner Familie geflossen sein.
Der Konflikt in dem Land mit seinen 6,4 Millionen Einwohnern eskalierte im April nicht aus heiterem Himmel. Er sei bereits seit Jahren abzusehen gewesen, erklärt Marco Pérez-Navarrete von der Heinrich-Böll-Stiftung in San Salvador, der die Situation in Nicaragua beobachtet. Landwirte im Süden protestierten gegen Planung und Bau des gigantischen Nicaragua-Kanals, der Atlantik und Pazifik verbinden soll. Die Regierung stellte sich auf die Seite der Investoren und ließ die Bau-Gegner zum Schweigen bringen. "Viele Leute sind einfach verschwunden", so der Stiftungs-Experte. Mit Beginn der politischen Krise im verbündeten Venezuela blieben in Nicaragua zudem für die Wirtschaft wichtige Subventionen aus, sagt Pérez-Navarrete.
Auch die Wirtschaft leidet stark unter der Krise. Allein dem Tourismussektor könnten im Juli rund 170 Millionen Dollar entgehen, sagte die Präsidentin der Nationalen Tourismus-Kammer, Lucy Valenti. Bereits 65.000 Arbeitsstellen seien verloren gegangen. Nach Angaben der Zentralbank ist die Arbeitslosigkeit von 3,7 auf 6 Prozent gestiegen, die Inflation von 5 auf 8,5 Prozent. Sollte sich die Lage nicht beruhigen, könne das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 4 auf 1,5 Prozent abfallen.
nob/rb (dpa, afp)