Nicht jeder Finger zählt
7. Januar 2004Die Bürger der Vereinigten Staaten haben seit dem 11. September 2001 und den ständigen Terrordrohungen ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit – das ist verständlich. Die zuständigen Behörden in den USA kommen diesem nun mit verschärften Einreisekontrollen entgegen.
An 115 Flughäfen im Land und 14 der wichtigsten Seehäfen müssen sich Besucher, die mit einem Visum in die USA einreisen wollen, fotografieren lassen und einen digitalen Fingerabdruck abgeben. Diese Informationen werden dann mit Datenbanken abgeglichen, die Aufschluss über kriminelle Hintergründe geben können. Damit soll vor allem möglichen Terroristen die Einreise in die USA erschwert werden. Hier aber muss nun schließlich die Frage nach der Effektivität des Sicherheitsprogramms erlaubt sein, dass auf den Namen US-Visit (U.S. Visitor and Immigrant Status Indicator Technology) hört.
Der Sicherheitscheck gilt nicht für alle
Reisende aus der Europäischen Union und weiteren Ländern wie zum Beispiel Japan, Australien und Singapur, die kein Visum brauchen, wenn sie weniger als 90 Tage in den USA bleiben, sind von dem Visit-Programm ausgenommen. Ein fragwürdiger Vertrauensbonus, bedenkt man, dass Zacharias Massaoui, einer der Drahtzieher der Anschläge des 11. Septembers französischer Staatsbürger ist und Richard Reid, der so genannte "Schuhbomber", aus England stammt.
Beide hätten selbst jetzt unbehelligt in die USA einreisen können. US-Visit kann aufgrund dieser Inkonsequenz also nur das subjektive Sicherheitsempfinden erhöhen. Das ist natürlich auch schon etwas. Aber selbst wenn demnächst jeder einzelne Reisende weltweit digital erfasst werden sollte, eine vollständige Sicherheit vor terroristischen Anschlägen gibt es selbst dann nicht. Auch nicht für die USA.
Reaktionen auf Amerikas Sicherheitsverschärfungen
Viele der Besucher am Flughafen Dulles in Washington, die zu den ersten gehörten, die durch den neuen Sicherheitscheck mussten, hatten kein Problem damit, digital erfasst und gespeichert zu werden. Eigentlich sei also alles halb so schlimm und die Aufregung in Deutschland wegen der 15 Sekunden, die die digitale Erfassung in Anspruch nimmt, nicht zu verstehen. Ist doch die Bundesrepublik in Europa Vorreiter bei der Entwicklung eines so genannten biometrischen Systems, bei dem Fingerabdrücke, Gesichtsfeld-Erkennung und Irisfotos im Reisepass gespeichert werden sollen.
Wenn man also die Frage nach dem Datenschutz einmal außer Betracht lässt, könnte dann nicht jeder Reisende mit weißer Weste froh über die verschärften Sicherheitsvorkehrungen sein? Denn schließlich geht es ja auch um seine Sicherheit, solange er in den USA ist. Für die Flugreisenden selbst könnte der Sicherheitscheck am Flughafen allerdings auch zu spät kommen, dann nämlich, wenn bereits ein möglicher Terrorist an Bord ist und das Flugzeug noch vor seiner Landung in seine Gewalt bringt.
Wichtig für den Kampf gegen den weltweiten Terrorismus sind deshalb auch weltweit aufeinander abgestimmte Sicherheitsmassnahmen und keine Einzelaktionen. Das gilt nicht nur für die Vereinigten Staaten. Auch Brasilien erließ einseitig verschärfte Einreisebestimmungen für den Flughafen von Sao Paulo: allerdings nur für US Bürger. Tja, auch in Brasilien zählen nur bestimmte Finger.