Mehr Zeit
26. Februar 2010Hartfrid Wolf, FDP-Rechts- und Innenexperte, begründet seine Forderung nach Verlängerung der Verjährungsfristen damit, dass die meisten Missbrauchsfälle erst Jahre und Jahrzehnte nach der Tat ans Tageslicht kommen. Derzeit verjährt Missbrauch zehn Jahre nach der Volljährigkeit der Opfer. In besonders schweren Fällen verlängert diese Frist auf 20 Jahre. Gleichzeitig dringt Wolf auf eine Strafverschärfung: "Es ist für mich unerträglich, dass sexueller Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen kein Verbrechen ist." Seine Forderung: Generell müsse die Mindeststrafe auf ein Jahr heraufgesetzt werden.
In dieser koalitionsübergreifenden Debatte bekommt Wolf Unterstützung von der saarländischen SPD. Deren Vorsitzender Heiko Maas fordert ebenfalls eine generelle Abschaffung der Verjährungsfristen. In der vergangenen Woche waren im Saarland Missbrauchsfälle bekannt geworden, die teilweise über 20 Jahre zurückliegen.
Mehr Zusammenarbeit gefordert
Grundsätzlich ist auch die katholische Kirche bereit, mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden zusammen zu arbeiten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert aber mehr Kooperation und eine deutliche Veränderung der kircheninternen Richtlinien. Nach diesen 2002 verabschiedeten Richtlinien soll einem Verdächtigen in "erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs zur Selbstanzeige" geraten werden. Der FDP-Fraktionschefin im Deutschen Bundestag, Birigt Hombacher, ist das nicht genug. Sie bemängelt, dass es dem Vedächtigen überlassen bleibt, ob er mit staatlichen Verfolgungsbehörden zusammenarbeitet oder nicht. Diese acht Jahre alte Richtlinie soll nach dem Beschluss der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Freiburg von Freitag (26.02.2010) überarbeitet und verschärft werden.
Aus dem Justizminsterium kommt zudem der Vorschlag einen "Runden Tisch" einzurichten und Ombudsleute zu berufen, um den guten Willen der katholischen Kirche den Opfern gegenüber zu dokumentieren und ihnen freiwillige Entschädigungen zukommen zu lassen.
Das Recht der Kirche
Die katholische Kirche befindet sich in der Zwickmühle. Einerseits will sie sich weder der Aufklärung noch der Strafverfolgung verschließen, andererseits will sie die Gültigkeit des Kirchenrechts nicht beschädigen. Für das Institut für Kirchenrecht an der Universität zu Köln ist klar, dass es auch weiterhin zwei nebeneinander existierende Rechtssysteme geben wird. Der Kirche wird nach Artikel 140 des Grundgesetzes ein Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Neben der Trennung von Kirche und Staat ist das die Begründung dafür, dass die katholische Kirche ihre internen Belange selbst und ohne Eingriff staatlicher Institutionen regelt. Aber trotz dieser internen Autonomie behalten die staatlichen Gesetze auch innerhalb der Kirchenmauern ihre Gültigkeit. Gegen staatliche Verfolgungen von Straftaten – so das Kölner Kirchenrechtsinstitut – kann die Kirche nichts entgegensetzen.
Während ihrer Frühjahrsvollversammlung haben die deutschen Bischöfe beschlossen, mit dem Bischof von Trier, Stefan Ackermann, einen "Beauftragten für Missbrauchsfälle" einzusetzen. Der 46-jährige Bischof soll sich mit allen bisher bekannt gewordenen Fällen von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im kirchlichen Bereich beschäftigen. Bisher sind das mindestens 115 Kinder und Jugendliche, die seit den 1950er-Jahren an katholischen Einrichtungen in Deutschland missbraucht worden sind.
Autor: Matthias von Hellfeld (dpa, KNA)
Redaktion: Nicole Scherschun