Niedergang eines Vorzeigestaates
24. September 2002Wer noch vom Vorzeigestaat Cote d'Ivoire träumte, wurde spätestens Weihnachten 1999 brutal von der Realität eingeholt, als General Robert Guei mit dem ersten Militärputsch in der Geschichte des westafrikanischen Landes sich selbst an die politische Spitze hievte. Der Versuch des Putschgenerals, die Wahlen im Oktober 2000 in seinem Sinne zu manipulieren, wurde zwar durch einen Volksaufstand vereitelt. Doch sein Nachfolger Laurent Gbagbo, lange sozialistischer Oppositionsführer, konnte das kriselnde Land nicht wieder stabilisieren.
Trotz der anhaltend gespannten Lage zeigten die politischen Führer kaum Bereitschaft zur Versöhnung. Vier politische Lager haben vielmehr das Land unaufhörlich weiter gespalten. Neben dem alten Establishment und General Guei, der in seinem Heimatbezirk nach seinen Regeln herrschte, haben vor allem die Auseinandersetzungen um den Repräsentanten der muslimischen Bevölkerung des Nordens, Alassane Ouattara, für Feindlichkeit und Misstrauen gesorgt. Sein Ausschluss von den Präsidentschaftswahlen mit durchsichtigen wahltechnischen Tricks - Zweifel an seiner ivorischen Nationalität - gaben der Bevölkerung des Nordens das Gefühl, Staatsbürger zweiter Klasse zu sein.
Der amtierende Präsident Gbagbo konnte in den vergangenen Monaten Hoffnung schöpfen, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Die internationalen Finanzorganisationen IMF (Internationale Währungsfonds) und Weltbank zeigten sich ebenso wie die Europäische Kommission und die Afrikanische Entwicklungsbank bereit, den 1998 zugedrehten Geldhahn wieder zu öffnen. Korruption, schlechte Finanzpolitik, hohe externe und interne Verschuldung, unrentable Staatsbetriebe und die Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen für die Devisenbringer Kakao, Kaffe und Baumwolle haben das Land wirtschaftlich abstürzen lassen. 40 Prozent der Welt-Kakao-Produktion stammen aus der Cote d'Ivoire.
Die Soldatenaufstände zeigen, dass innenpolitischer Frieden noch lange nicht in Sicht ist. Lösungs- und Versöhnungsansätze sind in der festgefahrenen Situation nicht zu erkennen. Der gewaltsame Tod von General Guei wird die Positionen eher noch verhärten. Hinzu kommen tiefsitzende Animositäten zwischen Armee und Polizei. Es bleibt eine politische Gemengelage, die den einstigen vermeintlichen Vorzeigestaat zu einem internationalen Sorgenfall und einen regionalen Unruheherd mit Ausstrahlungen in die angrenzenden Länder macht. Frankreich steht nun vor der schwierigen Entscheidung, ob es seinem einstigen Schützling auch militärisch beistehen soll oder die direkte Interventionspolitik in afrikanische Angelegenheiten endgültig der Vergangenheit angehört.