Gedenken an MH-17 Opfer
23. Juli 2014Der Bürgersteig vor dem Restaurant "Asian Glory" in der Leuwenstraat in Rotterdam ist über und über mit Blumen, Kränzen und Kerzen bedeckt. Weiße Lilien, Nelken, Rosen. Hunderte Freunde, Bekannte und Restaurantgäste legen hier seit Tagen ihren letzten Gruß an die beiden getöteten Restaurantbesitzer nieder. Gerade sind drei niederländische Studentinnen asiatischer Abstammung zur Gedenkstätte gekommen. Sie machen ein Foto und legen eine Blume ab. "Wir kannten die Leute nicht, wollten aber trotzdem herkommen, weil es interessant ist", sagt eine.
Ein älterer Herr mit Einkaufstüte bleibt stehen und bekreuzigt sich. Chefkoch und Restaurantbetreiber Fan Shun Po (60) und seine Frau Jenny Loh (55) wollten mit MH17 am vergangenen Donnerstag in Urlaub fliegen, in die Heimat von Po nach Hongkong und anschließend weiter nach Malaysia zur Familie von Loh. Der Sohn blieb in Rotterdam. Jetzt hat Kevin Fan (30) seine Eltern und auch seine Großmutter Tan Siew Poh (85), die ebenfalls an Bord war, durch die tragischen Ereignisse verloren.
"Die Familie ist stark"
Der Koch und seine Frau, die einen Michelin-Stern für ihr China-Restaurant bekommen haben, waren beliebt und bekannt in Rotterdam. Po ist sogar in einer Koch-Show im niederländischen Fernsehen aufgetreten. Bereits am Sonntag waren rund 1000 Menschen in weiße Gewänder gehüllt schweigend durch die Innenstadt marschiert, um an Po und Loh zu erinnern. Rotterdams Bürgermeister, Ahmad Aboutaleb, ebenfalls ein Migrantenkind, sagte, man werde die erfolgreichen Unternehmer vermissen. Der trauernde Sohn wird jeden Tag von Besuchern angesprochen, doch er möchte noch nicht viel reden, schon gar nicht mit Journalisten.
Ein enger Freund der Familie steht an der Restauranttür und gibt Auskunft. "Es geht der Familie ganz gut. Sie sind stark. Natürlich war das ein Schock, aber die Anteilnahme ist schon überwältigend", erzählt der Freund, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Das Restaurant soll nach der Sommerpause Mitte August wieder öffnen. "Es soll normal weitergehen, irgendwie", sagt der junge Mann und zieht ein wenig ratlos die Schulter nach oben.
Nicht alle trauern mit
Diesen Mittwoch hat die niederländische Regierung zu einem nationalen Trauertag für die Opfer von MH17 ausgerufen. Der erste Trauertag seit 1962 als die beliebte Königin Wilhelmina starb. Heute kommen noch einige Besucher mehr als in den letzten Tagen in die Leuwenstraat. Sogar eine Zeitung aus Hong Kong hat schon berichtet. Um 16 Uhr sollten alle Niederländer eine Minute lang schweigen und innehalten. Zu dem Zeitpunkt kam das erste Flugzeug mit Särgen aus der Ukraine auf dem Militärflughafen Eindhoven an.
Die Kirchenglocken im ganzen Land läuteten die Schweigeminute ein. Alle Flaggen wehten auf Halbmast. In Rotterdam an einer belebten Straßenkreuzung, nicht weit vom "Asian Glory" läuft der Verkehr allerdings weiter. In einigen Geschäften schauen die Kunden auf die Fernsehbildschirme, auf denen die Übertragung aus Eindhoven zu sehen ist. Nur auf dem breiten Bürgersteig der Einkaufsstraße bleiben die meisten Passanten um 16 Uhr stehen.
Unter ihnen die Rotterdamerin Marlis Cornilsen. Sie ist vom Fahrrad abgestiegen. "Aus Respekt vor den unschuldigen Opfern", sagt sie. "Ich war sehr enttäuscht, auch wegen der Autos. Wenn die Ampel grün zeigt, kann man doch trotzdem stehen bleiben. Die Leute hier auf dem Bürgersteig haben angehalten, aber der ganze Verkehr, die Autos, die Fahrräder und Motorroller fuhren einfach weiter." Die Niederlande sind mit 193 der insgesamt 298 Opfer an Bord von MH17 die am stärksten betroffene Nation.
Auf Bitten der Ukraine haben niederländische Spezialisten die Identifizierung der Leichen übernommen. Bis die Restauranetbesitzer und die Großmutter identifiziert sein werden, können noch Tage und Wochen vergehen. Erst dann wird Sohn Kevin seine Eltern und seine Oma nach Malaysia überführen können, wo sie begraben werden sollen. Einige Experten glauben auch, dass manche Leichen nie gefunden werden können, weil sie beim Absturz in einem 1000 Grad heißen Feuerball verbrannt sein könnten.
"Strafe bringt die Toten nicht zurück"
Marlis Cornilsen findet es schrecklich, wie würde- und respektlos die Separatisten in der Ost-Ukraine mit den sterblichen Überresten der Opfer nach dem Aufschlag der Unglücksmaschine umgegangen sind. "Ich hoffe, sie finden die Verantwortlichen. Das Problem ist aber so international, dass es schwer wird", sagte sie nach der Schweigeminute. Die Frau aus Rotterdam findet es gut, dass der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in einer Fernsehansprache versprochen hat, nicht eher zu ruhen bis er alle Verantwortlichen gefunden und für Gerechtigkeit gesorgt hat.
Marlis Cornilsen findet Vorschläge, niederländisches Militär an der Absturzstelle einzusetzen, wie sie aus konservativen Kreisen kamen, aber unsinng: "Es ist wichtig, dass daraus kein Krieg entsteht. So viele Menschen sind wütend. Das verstehe ich. Ich bin aber nicht wütend, sondern nur traurig. Wenn man die Leute, die das getan haben, bestraft, bekommt man die Menschen, die sterben mussten, nicht zurück."