Weil will rasche Neuwahl in Niedersachsen
4. August 2017Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat Neuwahlen angekündigt. Er halte es für "unabdingbar, dass der niedersächsische Landtag möglichst rasch seine Selbstauflösung beschließt und es möglichst bald Neuwahlen gibt", sagte Weil am Freitag in Hannover. Zuvor hatte die Abgeordnete Elke Twesten ihren Wechsel von der Grünen-Fraktion zur CDU bekanntgegeben. Damit verliert die rot-grüne Regierungskoalition ihre Ein-Stimmen-Mehrheit. Durch den Wechsel wird es künftig im Landtag eine Ein-Stimmen-Mehrheit für die bisherigen Oppositionsparteien CDU und FDP geben. Sie kommen demnach zusammen auf 69 der 137 Sitze. SPD und Grüne verfügen nach dem Wechsel nur noch über 68 Sitze.
Einen Rücktritt schloss Weil aus. "Es kann keine andere Instanz als die Wähler geben, die über die Mehrheiten im Landtag entscheiden", sagte der SPD-Politiker in Hannover. "Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen." Er werde den Mitgliedern der SPD-Landtagsfraktion noch am Freitag empfehlen, einen Antrag auf Selbstauflösung des Parlaments einzubringen, sagte Weil. "Jetzt haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Das ist das Gebot der Stunde."
Neuwahl am 24. September?
Der Antrag könne in der nächsten Landtagssitzung am 16. August beraten werden, ergänzte der Ministerpräsident. Laut Verfassung habe das Parlament dann zwischen elf und 31 Tagen Zeit für eine Entscheidung, danach blieben zwei Monate Zeit für eine Neuwahl. Die CDU favorisiert Neuwahlen parallel zur Bundestagswahl am 24. September. Ursprünglich sollte in Niedersachsen im Januar gewählt werden.
Twesten begründete ihren Schritt mit ihrer Enttäuschung darüber, dass sie von den Grünen nicht wieder als Direktkandidatin im Wahlkreis Rotenburg (Wümme) nominiert wurde. "Der Schritt fällt mir nicht leicht, aber er ist notwendig." Sie sehe bei den Grünen weder vor Ort noch im Land eine politische Zukunft. Sie sei schon länger verärgert über ihre Partei, der sie seit 20 Jahren angehörte.
Grüne fordern Mandatsrückgabe
Die Grünen im Bund forderten inzwischen Twesten auf, ihr Mandat nach dem Austritt aus der Grünen-Fraktion zurückzugeben. "Was sie tut, ist eine Verfälschung des Wählerwillens und ein Verrat am rot-grünen Wahlsieg", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der "Berliner Zeitung". "Sie sollte ihr Mandat zurückgeben." Die 54-jährige Twesten hatte im Zuge ihres Fraktionswechsels gesagt, sie wolle möglicherweise in den Bundestag oder das EU-Parlament. Einige Grüne-Politiker vermuten daher, dass ihr vor der Ankündigung Versprechungen gemacht wurden. Der niedersächsische CDU-Landeschef Bernd Althusmann sagte dazu, es habe keine Angebote gegeben.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte zum Fraktionsaustritt Twestens: "Es ist ganz offenkundig, dass da jemand aus persönlichen Karriereerwägungen und unter Mithilfe der Union den Wählerwillen verfälschen will", sagte Stegner dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Das ist politisch unanständig." Er plädierte für eine Neuwahl und mahnte: "Die Wähler sollten jetzt selbst entscheiden, wie es weitergeht." Dass CDU und FDP nun einen neuen Ministerpräsidenten wählten, komme als Option nicht in Betracht. Bei Twitter schrieb Stegner, die Mehrheit der Wähler habe in Niedersachsen rot-grün gewählt. "Per Intrige ohne Neuwahlen wäre schwarzgelber Machtwechsel illegitim!"
Weil hat in seiner gut vierjährigen Amtszeit als Ministerpräsident in Niedersachsen an Profil gewonnen. Der fast immer freundlich lächelnde SPD-Politiker hatte im Februar 2013 mit seiner rot-grünen Koalition die Arbeit aufgenommen. Zuvor hatte die SPD dort äußerst knapp die Landtagswahl gewonnen und von der regierenden CDU/FDP-Koalition die Macht übernommen. Seitdem regierte Weil trotz knapper Verhältnisse problemlos mit seiner Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament, größere Koalitionskrisen zwischen SPD und Grünen gab es nicht. Vor allem im Zuge der VW-Krise war Weil immer wieder als Krisenmanager gefragt - das Land ist größter Anteilseigner von VW, vom Schicksal des Konzerns hängen Zehntausende Arbeitsplätze in Niedersachsen ab.
kle/uh (dpa, rtr, afp)