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Gebrochene Herzen im Ramadan

Gwendolin Hilse16. Juli 2015

Millionen Muslime weltweit feiern bald das Ende des Fastenmonats Ramadan. In Nigeria aber haben viele Frauen Liebesfrust, denn ihre Männer machen reihenweise Schluss.

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Nigeria, Lagos im Ramadan (Foto: Anadolu)
Bild: picture-alliance/AA/M. Elshamy

"Ich habe drei verschiedene Freunde und alle melden sich seit Wochen nicht mehr", beschwert sich Maimunatu Mohammed aus Kaduna in Nordnigeria. "Sie gehen nicht mal ans Telefon, wenn ich anrufe. Manchmal schalten sie es sogar ganz aus." Die junge Frau weiß auch genau, woran das liegt: Der muslimische Fastenmonat Ramadan geht zu Ende. Wenn der erste Neumond am Himmel gesichtet wird, ruft der Imam das Zuckerfest aus. Für gläubige Muslime weltweit beginnen einige der wichtigsten Tage im Jahr. Familien und Freunde brechen gemeinsam das Fasten, sie schlemmen, feiern - mehrere Tage lang. Es ist ein Fest der Besinnung, Dankbarkeit und Vergebung. Aber auch ein Fest der Geschenke.

Maimunatu Mohammed hat genau aufgelistet, was sie sich von ihren Geliebten wünscht: Neue Schuhe, Kleider - und Geld, um in den Schönheitssalon zu gehen. Bekommen wird sie wohl auch dieses Mal nichts. "Letztes Jahr haben sie genau das Gleiche gemacht", sagt die junge Frau. "Das zeigt doch nur, dass diese Männer nicht für mich sorgen können, wenn ich einen von ihnen heiraten würde". Eine zweite Chance, sagt sie, soll nach diesem Ramadan deshalb keiner von ihnen bekommen.

Den Liebesfrust kennen viele Frauen in Nordnigeria. "Das Ganze hat finanzielle Gründe", erklärt Amina Sunusi. "Viele Männer haben einfach nicht das Geld für diese ganzen Geschenke und deshalb machen sie sich vor dem Zuckerfest aus dem Staub".

Fastenbrechen in Sokoto, Nigeria (Foto: Aminu Abdullahi/DW Haussa)
Kein Geld - keine Liebe? Viele Männer entscheiden sich im Ramadan fürs SingledaseinBild: DW/A. Abdullahi

Arme Männer, teure Freundinnen?

Das Geld ist knapp, der Druck zu groß - sagen die Männer. "Wir gehen durch schwere wirtschaftliche Zeiten und das, was die Mädchen verlangen, übertrifft bei Weitem unsere Möglichkeiten", sagt einer, der seinen Namen lieber nicht nennen will. Er könne sich kaum seine eigenen Festtagsgewänder leisten, dazu kämen ja auch noch die Almosen, die man in diesen Tagen den Bedürftigen spende.

Seit Jahren schon stagniert die Wirtschaft in Nordnigeria. Die Gewinne aus der Erdölförderung kommen bei den Menschen in der Region nicht an. Die meisten gehören der ethnischen Volksgruppe der Haussa an und leben von der Landwirtschaft - und das in der trockenen Sahelzone. 14 Prozent der 15-24-jährigen Nigerianer haben laut Weltbank keinen Job. Die meisten Arbeitslosen leben im Norden des Landes.

"Ich habe vier verschiedene Freundinnen, da kommen schnell mal 200 Euro für Geschenke zusammen", sagt ein junger Mann aus Kaduna. "Wie soll ich das bloß hinkriegen?" Da sei es besser, erst einmal eine Pause einzulegen, bis das Fest vorbei ist. Die Ausreden sind immer dieselben: Man sei krank, verreist, oder die Familie hätte es einem nicht gestattet das Haus zu verlassen.

Familie in Nigeria beim Fastenbrechen während des Ramadan (Foto: AP)
Heiliges Fest: Eine Familie im nordnigerianischen Kano beim Fastenbrechen im RamadanBild: picture-alliance/AP Photo/S. Maikatanga

Jugendliche wollen Geld statt Liebe

"Die jungen Männer wollen ihre Freundinnen unter allen Umständen mit teuren Geschenken beeindrucken, aber wie soll das gehen, wenn sie keine Arbeit haben? Da bleibt ihnen ja nichts anderes übrig, als sich zu verstecken", sagt Sadiq Isa Radda, Soziologieprofessor an der Bayero Universität in Kano. Es sei schon immer Tradition der Haussa gewesen, den Angebeteten regelmäßig kleinere Geschenke zu machen, besonders zu Festen. Dieser Brauch habe sich aber in den letzten Jahren verselbstständigt. "Die jungen Mädchen sind heutzutage einfach zu materialistisch. Viele junge Männer können diesen Ansprüchen gar nicht gerecht werden".

Seit Jahren schon beobachtet der Soziologe einen Wertewandel bei der Jugend. In der durch und durch muslimisch geprägten Gesellschaft haben Männer häufig mehr als eine Freundin und Ehefrau, aber auch die Frauen daten vor der Hochzeit häufig mehr als einen Partner. "Viele erhoffen sich dadurch mehr Geld und Geschenke von den Jungs und versuchen den größten Nutzen aus den Beziehungen zu ziehen", sagt Radda.

Aber nicht allen Frauen geht es nur darum, sich zu bereichern. "Wenn ich jemanden liebe, dann geht es mir nicht darum, wie viel er verdient oder mir schenkt. Bei einer Beziehung geht es doch nur um Liebe und Verständnis", sagt die Studentin Fa'iza Mohammed Inuwa. "Wenn ein Mann kein Geld für Geschenke hat, dann soll er es mir ehrlich sagen, das ist doch gar kein Problem. Aber mit jemanden, der einfach abhaut, mit dem will ich doch nicht den Rest meines Lebens verbringen".

Mitarbeit: Ibrahima Yakubu