1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nigeria in der ECOWAS

Philipp Barth13. November 2012

Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS schickt Truppen nach Mali. Noch ist unklar, welche Rolle die einzelnen Staaten übernehmen. Vor allem Nigeria ist gefordert.

https://p.dw.com/p/16iiU
Nigerianische Soldaten patroullieren in Lagos. (Foto: AFP/Pius Utomi Ekpei)
Bild: Getty Images/AFP

Nigeria ist mit seiner eigenen Sicherheit beschäftigt: Jahrelange gewaltsame Konflikte mit Separatisten im Niger-Delta und der Terror der islamistischen Sekte Boko Haram im Norden haben das Land destabilisiert. Die Armee und die Sicherheitskräfte sind im Dauereinsatz. Doch genau jetzt ruft die ECOWAS nach militärischer Führung. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft will 3300 Soldaten in den Norden Malis schicken. Dort haben radikale Islamisten die Kontrolle übernommen.

Grundsätzlich habe Nigeria die Kraft, die Truppen anzuführen, sagt der nigerianische Politikwissenschaftler und ECOWAS-Experte Jonathan Aremu. "Diese Sicherheitsprobleme haben in keinerlei Weise die Führungsposition Nigerias innerhalb der ECOWAS geschwächt."

Großer Widerspruch zwischen Innen- und Außendarstellung Nigerias

Wirtschaftlich stimme das - militärisch aber schon lange nicht mehr, sagt der deutsche Journalist und Nigeria-Experte Heinrich Bergstresser. Die Armee, jahrelang in Auslandseinsätzen der Vereinten Nationen wie in Darfur erprobt, sei mit den Polizeiaufgaben gegen Boko Haram im Inland überfordert: "Allein das Einschalten des Militärs im Inneren zeugt von einer strukturellen Schwäche des Staates. Die schlecht ausgebildeten Polizeikräfte sind ein weiterer Hinweis." Amnesty International berichtete jüngst über die militärische Willkür und Brutalität gegen die eigene Bevölkerung. Dazu passen Berichte der britischen Tageszeitung "The Guardian" über die nigerianische Armee, die kaum zu elementarsten Auslandseinsätzen im Stande sei.

Nigerianische UN-Soldaten sitzen auf einem Pick-Up-Truck und bereiten sich auf eine Patrouille in Darfur vor (Foto: AP/Alfred de Montesquiou)
Das nigerianische Militär hat sich beim UN-Einsatz in Darfur bewährtBild: AP

Heinrich Bergstresser sieht einen großen Widerspruch zwischen dem Zustand Nigerias und seiner Außendarstellung. "Die nigerianische Führung verhält sich in letzter Zeit eher zurückhaltend", glaubt Bergstresser, "weil sie weiß, dass sie im Grunde schon an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen ist."

Historischer Führungsanspruch in der ECOWAS

Dem Riesen Westafrikas fällt es allerdings schwer, auf den Führungsanspruch zu verzichten. Denn dieser ist historisch gewachsen. Nigeria setzte 1975 die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft durch - gegen den expliziten Widerstand Frankreichs, das seine Regionalinteressen im französischsprachigen Westafrika beeinträchtigt sah. Das Hauptquartier der ECOWAS etablierten die Nigerianer in ihrer Hauptstadt Abuja. In den 1990er Jahren trat Nigeria mit Stärke auf und führte die erste militärische ECOWAS-Mission im Bürgerkrieg in Liberia.

Und auch Nigerias Bevölkerung von 152 Millionen Menschen spricht für eine bedeutende regionale Rolle des Landes - Nigeria hat mehr Einwohner als alle anderen 14 Mitglieder des Staatenbündnisses zusammen. Auch Nigerias Wirtschaft ist stärker als die aller Bündnispartner zusammengerechnet. Entsprechend finanziert das Land zwei Drittel des ECOWAS-Budgets.

Karte der Mitgliedsstaaten der ECOWAS (Karte: DW)

Die Kolonialvergangenheit hat Gräben hinterlassen

Doch die Unfähigkeit des englischsprachigen Nigerias, bei den Konflikten in der Elfenbeinküste und im Togo eine gewichtige Rolle zu spielen, offenbart den Graben im Verhältnis zu den französischsprachigen Staaten. Noch immer orientieren sich französischsprachige und englischsprachige Länder innerhalb der ECOWAS an ihren ehemaligen Kolonialmächten. Ende Juni dieses Jahres rief der nigerianische ECOWAS-Parlamentarier Kabir Garba die Bürger Westafrikas auf, sich nicht mehr untereinander als anglophon und frankophon abzugrenzen.

Hinzu komme, dass Nigeria in der Region nicht als Vorbild gesehen werde, sagt Heinrich Bergstresser. Seit zehn Jahren fehle dem korrupten Nigeria mit seinen großen sozialen Problemen die moralische Glaubwürdigkeit, um seinen Führungsanspruch in der Region durchzusetzen. "Die nigerianische Führung hat mittlerweile eingesehen, dass ihr ursprünglicher Ansatz, tatsächlich Regionalmacht sein zu können, nicht erfüllbar ist."

Nigeria hat aus der Vergangenheit gelernt

Wenig moralische Glaubwürdigkeit, geringe militärische Durchschlagskraft - Nigeria will bei der Mali-Mission trotzdem den Hauptanteil der 3300 Soldaten stellen. Aber das Land reiht sich ein in eine internationale Koalition aus 13 afrikanischen Staaten. Das entspricht dem neuen Ansatz Nigerias, sagt Victor Adetula von der Universität im nigerianischen Jos. "Die Regierung hat von früheren Militäreinsätzen gelernt und weiß jetzt, dass sie nicht alleine handeln kann."

Konferenzsaal in Abuja mit den westafrikanischen Staatschefs (Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP)
Westafrikas Staatschefs stimmen beim ECOWAS-Gipfel in Abuja für eine MalimissionBild: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images

Die EU-Länder Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Polen beraten am Donnerstag (15.11.2012) in Paris über ihr Engagement in Mali und eine eventuelle militärische Ausbildungsmission. Ende November wollen die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union dann endgültig über die Pläne entscheiden. Kurz darauf könnten die Truppen einsatzbereit sein.