Nigerias Wahlleiter zwischen den Stühlen
24. März 2015Attahiru Muhammadu Jega steht unter Druck. Mit ihm stehen und fallen die Präsidentschaftswahlen am Samstag in Nigeria. Schon einmal hatte der Leiter der nigerianischen Wahlkommission INEC die Wahlen verschoben. Eigentlich hätten sie Mitte Februar stattfinden sollen. Jega war damit dem Drängen der nigerianischen Armee und des Geheimdienstes gefolgt, die sich angesichts der Bedrohung durch die Boko-Haram-Miliz nicht in der Lage sahen, für Sicherheit bei den Wahlen zu sorgen.
Inzwischen ist es der Armee zusammen mit Truppen aus den Nachbarländern Tschad, Nigeria und Kamerun gelungen, weite Gebiete des von Boko Haram besetzten Nordostens zurückzuerobern. Damit stehen die Chancen gut, dass der neue Wahltermin tatsächlich eingehalten wird. Am Dienstag verkündete die Kommission, 82 Prozent der Wähler hätten ihre Wählerkarten in Empfang genommen. "Überall, wo die Sicherheit gewährleistet ist und die Menschen zu ihrem Alltag zurückgekehrt sind, werden wir die Wahlen abhalten", sagte Jega. Zudem habe man Wahlbüros für Binnenflüchtlinge eingerichtet.
Weltgewandter Professor
Seit rund fünf Jahren leitet Attahiru Muhammadu Jega die nationale Wahlkommission. Nigerias Präsident Goodluck Jonathan ernannte ihn im Juni 2010 zum Nachfolger von Maurice Iwu, der die Wahlen 2007 organisiert hatte. Diese waren geprägt von systematischem Wahlbetrug, Wählereinschüchterung und Gewaltausbrüchen. "Nach der schlimmen Erfahrung von 2007 wusste jeder im Land, dass INEC jemanden an der Spitze braucht, der sehr kompetent, aufrecht und integer ist", sagt Kole Shettima, der Leiter des Zentrums für Demokratie und Entwicklung in Nigerias Hauptstadt Abuja. Shettima kennt Jega sehr gut - sie haben gemeinsam in den USA studiert.
Der 58-Jährige Jega ist Professor der Politikwissenschaften und hat eine lange akademische Karriere hinter sich. Er lebte unter anderem in Schweden und Großbritannien, bevor er die Leitung der Bayero-Universität in Kano übernahm. Außerdem war er in den 1990er Jahren Vorsitzender der Gewerkschaft des akademischen Personals an nigerianischen Universitäten (ASUU) und Teil des Komitees zur Wahlreform nach der Wahl 2007. "Viele glauben, dass seine Ernennung tatsächlich eine Gelegenheit war, einige der Empfehlungen umzusetzen, die er selbst im Komitee mit ausgearbeitet hatte", so Shettima im Gespräch mit der DW.
Aus Fehlern lernen
Jegas erste Aufgabe war es, die Wahlen im Jahr 2011 zu organisieren. Auch diesmal kam es zu Unregelmäßigkeiten: Auf den Wählerlisten standen zahlreiche Namen von Personen, die bereits gestorben waren oder nie existierten. Dennoch waren Jonathan - der als Sieger aus der Wahl hervorging - und seine Demokratische Partei des Volkes (PDP), voller Lob für Jega.
Doch der Wind hat sich inzwischen gedreht. "Jega wusste selbst, dass es 2011 Wahlbetrug gab", sagt Junaidu Mohammad, Politikanalyst in der nigerianischen Metropole Kano. Deshalb wolle er sicherstellen, dass es dieses Mal eine glaubwürdige Wahl gebe, die "halbwegs frei und einigermaßen fair" sei. "Und damit fangen seine Probleme mit dieser Regierung an."
Zwischen den Mahlsteinen der Parteien
So hat die Wahlkommission unter Jega mittlerweile dafür gesorgt, dass es Wählerlisten gibt, auf der tatsächlich nur diejenigen Personen gelistet sind, die wirklich wählen dürfen. Außerdem wurden dauerhafte Wählerkarten (PVC) eingeführt, die im Gegensatz zu temporären Karten als fälschungssicher gelten. "Jega ist eine sehr ehrliche und um Transparenz bemühte Person, die alles nach bestem Wissen und Gewissen macht", so Shettima. Und Jega sei durchaus bereit, Fehler einzugestehen.
"Die INEC und all ihre Mitarbeiter vor Ort sind entschlossen, unparteiisch bei der Durchführung der Wahlen vorzugehen", versicherte Jega am Dienstag. So wolle die Wahlkommission die Ergebnisse aller Wahllokale im PDF-Format auf ihre Webseite stellen. "Dadurch kann jeder Wähler den Wahrheitsgehalt der Angaben überprüfen." Trotz aller Bemühungen um Transparenz hagelte es in den vergangenen Wochen Kritik. Einige Stammesältere aus dem Süden, die Jonathan nahestehen, behaupteten etwa, dass Jega bevorzugt im Norden PVC ausgegeben hätte, um so die Wahlen zu Gunsten des Herausforderers Muhammadu Buhari zu beeinflussen. Zwischenzeitlich kursierten gar Gerüchte, dass Jonathans PDP plane, den all zu integren Wahlleiter abzusetzen. Manche Beobachter sahen darin sogar den eigentlichen Grund für die forcierte Verschiebung der Wahlen. Buharis Parteigenossen vom Kongress aller progressiven Kräfte (APC) hingegen bezeichneten die Wahlverschiebung als "Provokation" und als Spiel auf Zeit, mit dem Jonathan seine Wiederwahl sichern wolle.
Analyst Mohammad hielt die Entscheidung Jegas, die Wahl zu verschieben, von vorn herein für einen Fehler. "Sie haben ihn unter Druck gesetzt", so Mohammad. "Er hat Angst bekommen und ihnen ihren Willen gelassen. Aber ich weiß nicht, wie weit das gehen kann." Eine weitere Verschiebung des Wahltermins hatte auch Jega kategorisch ausgeschlossen. Laut Verfassung muss die neue Regierung bis zum 29. Mai im Amt sein.