Nippon in Nöten
2. Dezember 2001Im Oktober waren in Japan 5,4 Prozent der Erwerbstätigen arbeitslos gemeldet. Im September hatte die Quote noch 5,3 Prozent betragen. Im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres nahm die Arbeitslosigkeit um 0,7 Prozent zu. Das ist der höchste Einbruch innerhalb eines Jahres seit dem Ölpreis-Schock von 1974. Die Marke von fünf Prozent – in Japan eine Schmerzgrenze – war erstmals im Juli erreicht worden. Nach dem konjunkturellen Abschwung in den USA und den Terroranschlägen vom 11. September verschlechtert sich die Lage auf dem japanischen Arbeitsmarkt weiter. Insgesamt sind 3,52 Millionen Menschen auf Arbeitssuche.
Damit stieg die Arbeitslosigkeit im siebten Monat in Folge. Das Land befindet sich seit Jahren in einer Wirtschaftskrise. Vor allem Elektronikunternehmen hatten zuletzt massive Gewinneinbußen zu verzeichnen. Das Erfolgsrezept der japanischen Wirtschaft aus vergangenen Jahren funktioniert nicht mehr: die Massenproduktion für den Export geht zurück. Gerade auf dem Elektronikmarkt können japanische Firmen nicht mit den Preisen der asiatischen Konkurrenten mithalten. Deshalb verlegen viele Unternehmen ihre Produktion in asiatische Länder mit niedrigeren Lohnkosten, was die Arbeitslosigkeit in Japan selbst in die Höhe treibt.
Vierte Rezession in zehn Jahren
Noch drastischer fällt der Rückgang bei der Industrieproduktion aus: Sie fiel von September auf Oktober 2001 um 0,3 Prozent, im Jahresvergleich dagegen um 11,9 Prozent. Für konjunkturpolitische Maßnahmen bleibt kaum Spielraum. Das Zinsniveau ist sehr niedrig; erst im November hat die japanische Regierung trotz hoher Staatsverschuldung einen Nachtragshaushalt beschlossen. Japan steuert auf die vierte Rezession in zehn Jahren zu.
In Japan ist, genau wie in den Vereinigten Staaten, der Erwerbslosenanteil traditionell niedriger als in Europa. Allerdings sind die Statistiken nicht vergleichbar. In Japan werden Überkapazitäten oft durch Frühpensionierung älterer Mitarbeiter abgefedert. Sie tauchen in keiner Arbeitslosenstatistik auf. Regierungsunabhängige Schätzungen gehen davon aus, dass nur ein Achtel jener Menschen, die 2001 ihre Arbeitsstelle verloren haben, offiziell als arbeitslos registriert sind. Auch erwerbslose Frauen ziehen sich häufig von der Arbeitssuche zurück und verschwinden damit aus der Statistik. In Japan gilt immer noch die Lebensstelle in einem Unternehmen als Ideal.
Hoffen auf den Boom
Sie wird jedoch zunehmend verschwinden und flexibleren Arbeitsmodellen Platz machen. Die Aussichten auf dem japanischen Arbeitsmarkt bleiben weiterhin schlecht. Gründe sind die schwache Konjunktur, hohe Löhne und eine hohe Zahl von Überstunden. Japan erhofft sich neue Impulse von der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2002. Manche Experten setzen sogar darauf, dass ein neuer Babyboom die lahmende Konjunktur ankurbelt: Kronprinzessin Masako erwartet demnächst Nachwuchs. (jf)