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Preis für 'stumme' Gene

2. Oktober 2006

Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an die amerikanischen Genforscher Andrew Fire und Craig Mello. Das Nobelkomitee ehrte die beiden Forscher für ihre Entdeckung der so genannten RNA-Interferenz.

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Die Preisträger: Craig C. Mello, (r.) und Andrew Z. Fire (l.)
Die Preisträger: Craig C. Mello, (r.) und Andrew Z. FireBild: AP

Andrew Z. Fire von der Stanford University in Kalifornien und Craig C. Mello von der Massachusetts Medical School in Worcester haben ein Verfahrene entwickelt, mit dem der Fluss genetischer Information gezielt unterbrochen werden kann. Dieser Mechanismus spielt auch beim Kampf gegen Viren eine wichtige Rolle. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro (zehn Millionen Schwedische Kronen) dotiert.

"Das Pfiffige an ihrer Entdeckung ist, dass sie die Mittel der Natur selbst zur Anwendung bringt", sagte der Sprecher des Nobelkomitees, Hans Jörnvall, am Montag (2.10.2006) in Stockholm. "Dies eröffnet fantastische Möglichkeiten. Natürlich dauert es noch etliche Jahre, bis wir daraus Arzneimittel bekommen werden. Aber die Prinzipien sind klar."

Gen für Cholesterin zum "Schweigen" gebracht

Die RNA-Interferenz (RNAi) ist ein Prinzip, mit dem sich vor allem niedere Organismen vor Viren schützen, die ihr Erbgut einschleusen wollen. Auch das gezielte An- und Ausschalten von Genen im Laufe der menschlichen Entwicklung, die Genexpression, wird über RNA-Interferenz gesteuert. Die Forscher haben damit nun ein Werkzeug an der Hand, um durch gezieltes Ausschalten zu prüfen, wofür ein Gen zuständig ist.

Die RNA ist eine Kopie des Erbguts und damit Bauanleitung für Proteine, die fast alle Funktionen im Organismus steuern. Im Gegensatz zur doppelsträngigen DNA kommt sie normalerweise einsträngig vor. Im Mittelpunkt der RNAi steht die Boten-RNA (mRNA). Taucht in einer Zelle fremde RNA auf, reagiert die Zelle, indem sie die gesamte mRNA zerstört, die genauso aufgebaut ist wie der "Eindringling". Dadurch werden von dieser mRNA keine Proteine mehr produziert.

Forscher bringen inzwischen künstliche RNA-Moleküle in Zellen ein, um krankmachende Gene stillzulegen. Im Tierversuch konnte bereits ein Gen stummgeschaltet werden, das für einen hohen Cholesterinspiegel verantwortlich ist. Künftig könnten mit diesem Verfahren auch Therapien gegen Virusinfektionen, Gefäßleiden, Krebs oder Hormonstörungen entwickelt werden.

Biotech-Branche profitiert von der Entdeckung

Eines der größten Probleme bei der Anwendung von RNAi in der Therapie besteht darin, die RNA genau dorthin zu schleusen, wo sie gebraucht wird. Das Nobelkomitee erklärte, die RNA-Interferenz sei von großer Bedeutung für die Regulierung der Ausbildung von Erbfaktoren, spiele eine Rolle bei der Abwehr von Virusinfektionen und halte die so genannten "Jumping Genes" unter Kontrolle, DNA-Stücke, die sich im Genom eines Lebewesens frei bewegen können.

Die Erkenntnisse von Fire und Mello hätten schon jetzt einen enormen Effekt auf die biomedizinische Forschung gehabt. Die RNAi wird in der Grundlagenforschung bereits häufig eingesetzt, um die Funktionen einzelner Gene zu untersuchen und könnte in der Zukunft zu neuen Therapien führen, erklärte das Nobelkomitee.

Im Jahr 1998 publizierten Fire und Mello ihre viel beachtete Entdeckung, die sie an winzigen Fadenwürmern machten, im Fachjournal "Nature". 2002 wurde das Verfahren vom Fachjournal "Science" als "Durchbruch des Jahres" gefeiert und lässt seitdem die Biotech-Branche boomen.

Freude bei Preisträgern

Fire erklärte, er fühle sich geehrt, dass die Arbeit so viel positive Aufmerksamkeit erhalte. Er verwies jedoch darauf, dass Forschung immer Team-Arbeit sei. "Bitte verstehen Sie, dass an den jüngsten Fortschritten auf dem Gebiet der Gene-Unterdrückung Forschungsarbeiten aus der ganzen Welt beteiligt waren", erklärte Fire in einer Stellungnahme.

Die beiden Forscher waren für ihre Entdeckung bereits im März mit dem wichtigsten deutschen Medizinpreis ausgezeichnet worden. Sie erhielten den mit 100.000 Euro dotierten Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstädter-Preis. (stl)