2020 - mehr Nobelpreise für Frauen?
4. Oktober 2020Die Nobelpreise stehen für vieles, sicherlich aber nicht für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit. Seit 1901 wurden neben 25 Organisationen insgesamt 923 unterschiedliche Wissenschaftler, Schriftsteller und "Friedensstifter" mit Nobelpreisen geehrt. Nicht nur in den naturwissenschaftlichen Bereichen ist der typische Nobelpreisträger männlich, alt und weiß.
Fast alle Auszeichnungen gingen nach Europa oder in die USA, Japan erhielt lediglich 28, Australien 14, Indien 12, Südafrika 11 und China musste sich mit 8 Auszeichnungen zufriedengeben. Die wissenschaftlichen Bereiche machen da keine Ausnahme.
Große Unterschiede vor allem bei wissenschaftlichen Preisen
Am auffälligsten ist der Geschlechterunterschied bei den wissenschaftlichen Preisen, was gewöhnlich - von alten, weißen Männern - damit begründet wird, dass die Wissenschaft nun einmal traditionell männerdominiert war und oftmals wissenschaftliche Entdeckungen ausgezeichnet werden, die bereits vor vielen Jahren gemacht wurden.
Unter all den Ausgezeichneten sind 54 Frauen, das sind nicht mal sechs Prozent. Davon hat Marie Curie den Preis gleich zweimal bekommen, 1903 für Physik und acht Jahre später für Chemie. Insgesamt gingen 12 Medizin-Nobelpreise an Frauen, 5 im Bereich Chemie und 3 im Bereich Physik. Dagegen gab es "immerhin" 17 Friedens- und 15 Literaturnobelpreisträgerinnen, letztes Jahr erhielt zum Beispiel diepolnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk den Literaturnobelpreis.
Außerdem erhielt letztes Jahr die französisch-amerikanische Ökonomin Esther Duflo den Wirtschafts-Nobelpreis - also gab es 2019 zwei Frauen unter den 15 Preisträgern.
Umstrittene Preisträger
Der Nobelpreis gilt bis heute als die höchste Auszeichnung in den berücksichtigten Disziplinen - auch wenn es vor allem in den letzten Jahren viele umstrittene Entscheidungen und Skandale gab. Gestiftet wurde der Preis von Alfred Nobel, der mit Sprengstoffen ein Vermögen verdient hatte.
Besonders umstritten waren die Friedensnobelpreise für Barack Obama nach gerade mal neun Monaten im Amt, für Palästinenserführer Arafat oder für das "Friedensprojekt" Europäische Union. Mahatma Gandhi, die Symbolfigur für den gewaltlosen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wurde dagegen trotz zahlreicher Nominierungen nie ausgezeichnet.
Umstritten waren auch die Literaturpreise für den Finnen Eemil Sillanpää, den kaum jemand kennt und liest, für Harry Edmund Martinson, der sich als Akademie-Mitglied quasi selber auszeichnete und kurz nach der Preisverleihung Selbstmord beging. Oder der letztjährige Preis für den österreichischen Preisträger Peter Handke, der nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen im Jugoslawienkrieg bagatellisiert oder geleugnet hatte.
In den naturwissenschaftlichen Bereichen sind wenige Preisträger umstritten, sicherlich auch weil die Materie oftmals sehr komplex ist. Allerdings erhielt der dänische Pathologe Johannes Grib Fibiger 1926 den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung, dass ein kleiner Fadenwurm Magenkrebs auslöse, was sich später als Irrtum herausstellte.
Der Kanadier John Macleod erhielt 1923 den angesehenen Preis, obwohl er gerade im Urlaub war, als Angestellte seines Instituts Insulin entdeckten. Und 2002 erhielt der Japaner Koichi Tanaka den Chemie-Nobelpreis für die Entwicklung eines Laserverfahrens, das nur er selbst benutzt.
2020 mehr Nobelpreise an Frauen?
Vor allem in den wissenschaftlichen Disziplinen standen oftmals Frauen im Schatten der männlichen Konkurrenten. Auch Forscherinnen, die maßgeblich an den mit Nobelpreisen ausgezeichneten Forschungen mitgearbeitet hatten, blieben ohne Würdigung.
Dazu gehören sicherlich Lise Meitner (Entdeckerin der Energiefreisetzung bei der Kernspaltung), Jocelyn Bell Burnell (Entdeckerin der schnell rotierenden Neutronensterne - Pulsare) oder die US- Astronomin Vera Rubin, die bereits in den 1970er-Jahren den ersten überzeugenden Beleg für die Existenz dunkler Materie fand. Ausgezeichnet wurden für das Thema stattdessen im letzten Jahr drei männliche Astro-Physiker.
Spitzenforscherinnen statt Quotenfrauen
In Zeiten, in denen viel über Geschlechtergerechtigkeit und Diversität diskutiert wird, sind die Erwartungen gegenüber der Nobel-Stiftung in diesem Jahr besonders groß.
Strukturell hat sich auch in den Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten einiges verändert, und es gibt inzwischen zahlreiche Kandidatinnen, die eine solche Auszeichnung mehr als verdient hätten. Schon seit 2012 etwa gelten die Erfinderinnen der Genschere Crispr-CAS9, Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, als aussichtsreiche Kandidatinnen.