NOlympia: "Alle Fakten müssen auf den Tisch"
6. März 2015DW: Was spricht dagegen, dass die Olympischen Spiele 2024 nach Hamburg kommen?
Nicole Vrenegor: In Hamburg hat sich ungefähr vor einem halben Jahr eine Initiative gegründet, die den Olympischen Plänen sehr kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Das Konzept, das die Stadt vorgelegt hat, ist äußerst riskant und vor allen Dingen sehr, sehr teuer. Ein Problem dieser Bewerbung ist, dass nach wie vor keine Informationen geliefert werden. Wir wollen Transparenz, aber die ist bisher nicht hergestellt worden.
Wie wollen Sie belastbare Informationen vor dem geplanten Volksentscheid, in dem die Hamburger über die Olympiabewerbung abstimmen, bekommen?
Transparenz ist ein festgelegtes Bürgerrecht. Wir fordern von der Hamburger Stadtregierung, dass alle Fakten vor dem Referendum im Herbst auf den Tisch kommen.
Was sind Ihre konkreten Kritikpunkte?
Die Werbung für Olympia ist sehr emotional. Sie sagt: Wir wollen die Spiele und Hamburg kann das. Wir aber sagen, bevor man die Spiele will, wollen wir wissen, was das bedeutet, wenn die Spiele nach Hamburg kommen. Das betrifft die Mieten, die jetzt schon sehr hoch sind, aber auch die Ökologie wie beispielsweise die Luftwerte, die am Hafen sehr schlecht sind und die durch Olympia sicherlich nicht besser werden.
Wie sieht es mit den Kosten aus? Gibt es Schätzungen, wie teuer Olympia in Hamburg wird?
Der Senat verweigert derzeit, überhaupt Zahlen zu nennen. Grob gibt es die Zahl von zwei Milliarden Euro für den Bau der Olympischen Stadien - man muss dazu sagen, Hamburg hat derzeit noch kein einziges olympiataugliches Stadion. Ich zweifle an, dass diese zwei Milliarden Euro reichen werden, weil allein ein Olympiastadion mindestens 300 Millionen Euro kostet. Das kann aber wie im Fall der Spiele im Jahr 2000 in Sydney auf bis zu eine Milliarde Euro explodieren. Mit zwei Milliarden Euro Gesamtkosten für alle Wettkampf- und Sportstätten kommen wir meines Erachtens in Hamburg nicht aus.
Kommen noch Ausgaben für andere Dinge hinzu?
Jetzt kann ich nur einen begrenzten Rahmen beziffern, den ich für realistisch halte. Die Hafenbetriebe, die noch auf dem künftigen Olympiagelände sind und noch umgesiedelt werden müssen, verlangen fünf bis sieben Milliarden Euro allein für den Umzug. Da zählen wir die zwei Milliarden Euro hinzu, dann sind wir schon bei neun Milliarden, und da sind weder U-Bahn noch andere Infrastruktur gebaut. Auch der Flughafen ist nicht olympiatauglich. Ich denke, wenn wir alles zusammenzählen, kommen wir auf zehn bis 15 Milliarden Euro.
Und trotzdem scheint die Stimmung in der Stadt derzeit für Olympia zu sein. Oder schätzen Sie das anders ein?
Wir haben im Moment eine sehr große Werbekampagne, die von bestimmten Unternehmen und der Tourismusbranche in Hamburg unterstützt und finanziert wird. Jetzt ist die Stimmung für Olympia. Das große Aber kommt, und die Stimmung wird sich grundlegend ändern, wenn die Fakten auf den Tisch kommen: Was bedeutet Olympia eigentlich für mein Viertel, in dem ich wohne? Was bedeutet das für die Mieten? Was bedeutet das langfristig für den Haushalt der Stadt? Dann bin ich mir sicher, dass es ähnlich sein wird wie bei Münchens Bewerbung für die Winterspiele im Jahr 2022, wo es auch erst eine diffuse positive Grundstimmung für Olympia gab. Dann haben sich die Menschen detailliert damit beschäftigt und 2013 gesagt: Nein, wir wollen das Internationale Olympische Komitee nicht in unserer Stadt haben.
Warum steigen die Mieten, wenn für ein paar Wochen Athleten in die Stadt kommen?
Eine Begründung für die Olympiabewerbung ist, dass so auch mehr neue Einwohner und Investoren in die Stadt gelockt werden sollen. Die Innenstadt ist schon jetzt umkämpft, und es gibt wenig freie Flächen. Wenn die Hafenbetriebe umgesiedelt werden, müssen an anderer Stelle Flächen geräumt werden. Die Effekte der Olympischen Spiele 2012 in London zeigen, dass es Mietsteigerungen bis zu 30 Prozent gab. Das erwarte ich auch in Hamburg.
Die Hamburgerin Nicole Vrenegor hat die Initiative NOlympia gegen die Bewerbung der Stadt für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 mitgegründet. NOlympia gab und gibt es auch in anderen Bewerberstädten.
Das Interview führte Alexander Drechsel.