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Nordkorea gegen den Rest der Welt

Hans Spross25. Februar 2004

Zweite Runde der Sechs-Parteien-Gespräche: Erneut versuchen die USA und Nordkoreas Nachbarländer Pjöngjang zur Aufgabe des Waffenprogramms zu bewegen. Noch immer ist unklar, wie weit Nordkorea schon fortgeschritten ist.

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Starke Sicherheitsvorkehrungen bei den Verhandlungen in PekingBild: AP

Im Atomstreit zwischen Nordkorea und den USA haben Spitzenvertreter beider Seiten zum Auftakt der zweiten Verhandlungsrunde am Mittwoch (25.2.2004) ein erstes bilaterales Gespräch geführt. Der Staatssekretär im Außenministerium, James Kelly, traf in Peking mit dem nordkoreanischen Vizeaußenminister Kim Kye Gwan zusammen. Es war der ranghöchste Kontakt zwischen beiden Seiten seit Beginn der Krise vor 16 Monaten.

Die USA haben weiter eine "vollständige, überprüfbare und unumkehrbare Demontage" des ganzen nordkoreanischen Nuklearprogramms und etwaiger Atomwaffen gefordert. Bei den Sechser-Gesprächen in Peking stellte US-Unterhändler Kelly dafür amerikanische Sicherheitsgarantien und eine Normalisierung der Beziehungen zu dem isolierten und von Hunger geplagten Staat in Aussicht. Er zitierte Präsident George W. Bush, die USA hätten nicht die Absicht, Nordkorea anzugreifen. An den Gesprächen nehmen auch Vertreter aus China, Südkorea, Japan und Russland teil.

In seiner Eröffnungsrede stellte der Nordkoreas Delegationschef Kim Kye Gwan Flexibilität in Aussicht. Sein Land fordere Wirtschaftshilfen und Sicherheitsgarantien im Gegenzug für ein Einfrieren seines Atomprogramms. Eine bloße Einstellung geht den USA allerdings nicht weit genug. Als Vermittler mahnte Chinas Vizeaußenminister Wang Yi "gegenseitigen Respekt und Flexibilität" der Delegationen an, um die Differenzen zu überbrücken.

Lange Geschichte

Die Geschichte des - immer noch geheimnisumwitterten - nordkoreanischen Atomprogramms reicht mindestens bis in die 80-er Jahre zurück, aber die jüngste Phase des Dramas beginnt im Oktober 2002. Damals präsentierte der US-Sondergesandte James Kelly der Führung in Pjöngjang Beweise für die Existenz eines Programms zur Urananreicherung - also der Herstellung von Spaltmaterial für den Atombombenbau. Pjöngjang war um eine Reaktion nicht verlegen: Schließlich müsse es sich gegen die Drohungen der USA zur Wehr setzen.

Das war nicht ganz aus der Luft gegriffen, gehörte Nordkorea doch nach amerikanischer Lesart zur "Achse des Bösen", gemeinsam mit dem Irak und Iran. Nordkorea aber stand mit dem Eingeständnis der Urananreicherung zweifach als Vertragsbrüchiger da: Sowohl im Hinblick auf das sogenannte Rahmenabkommen von 1994 mit den USA, wie auch auf den Atomwaffensperrvertrag, den es unterzeichnet hatte.

Rauswurf der Inspektoren

Die nächsten Schritte im nordkoreanischen Atompoker folgten Schlag auf Schlag: Im Dezember 2002 beendet Pjöngjang die Überwachung seiner Atomaktivitäten durch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA), indem es deren Inspektoren ausweist und automatische Kontrollgeräte der IAEA abschaltet. Im Januar kündigt Nordkorea die Mitgliedschaft im Atomwaffensperrvertrag, und im Februar 2003 teilt das Regime mit, es habe seinen Mini-Reaktor in Yongbyon wieder in Betrieb genommen. Aus der Anlage hat Nordkorea nach Einschätzung westlicher Experten bereits Anfang der 90-er Jahre genügend Plutonium für vier bis fünf Atombomben gewonnen.

Nordkorea schien also kurz davor zu sein, sich zur Atommacht zu erklären - und tatsächlich: Ausgerechnet bei den als Hoffnungssignal begrüßten Gesprächen zwischen Nordkorea, USA und Gastgeber China im April 2003 ließ Nordkorea durchblicken, es besitze Atomwaffen, die es testen oder an andere Länder weitergeben könne. Trotz dieses Rückschlags kam es Ende August zu ersten Sechs-Parteien-Gesprächen in Peking an denen neben den USA alle Nachbarn - Südkorea, Russland, China und Japan - beteiligt waren. Die Gespräche wurden erneut durch atomare Drohungen Nordkoreas belastet. Aber allein das Zustandekommen der Gespräche und die Verabredung einer weiteren Zusammenkunft wurden als Erfolg bewertet.

Chinesischer Einfluss

Dieser Erfolg ist vor allem auf das Engagement Chinas als Gastgeber der Sechs-Parteien-Gespräche zurückzuführen. Peking kann dem nuklearen Säbelrasseln seines Nachbarn nichts abgewinnen. Deshalb setzt es seine traditionellen Beziehungen zum kommunistischen Bruderstaat ein - der von Peking zudem wirtschaftlich stark abhängig ist -, um diesen so weit wie möglich zur Vernunft zu bringen. Wenn sich die Volksrepublik so bei den Amerikanern als Garant der regionalen Stabilität beliebt machen kann - um so besser für Peking. Die Sechs-Parteien-Treffen böten die Möglichkeit, die subjektiven Sicherheitsbedürfnisse Nordkoreas anzusprechen, aber auch das Ziel einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel mit bindend eingefrorenen und abgewickelten Atomprogrammen Nordkoreas weiter zu verfolgen, sagte US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice im Oktober 2003.

Eingefroren und abgewickelt - was Rice hier in einem Atemzug nennt, pflückt Präsident George W. Bush im Dezember 2003 wieder auseinander. ... ... Im Gespräch mit Chinas Ministerpräsidenten, aber deutlich an die Adresse des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-il gerichtet, wies er das nordkoreanische Angebot eines "Einfrierens" seines Atomprogramms zurück. Angeblich "eingefroren" hatte Nordkorea sein Atomprogramm ja bereits 1994 im Rahmenabkommen mit den USA, das inzwischen obsolet ist. "Das Ziel ist die Abwicklung eines Atomwaffenprogramms, und zwar nachprüfbar und irreversibel", betonte Bush.

Nordkoreas Rolle im Nuklear-Schmuggel

Die USA wollen, dass bei den neuen Gesprächen vor allem über Uran-Anreicherung gesprochen wird. Washington ist daran so stark interessiert, dass es dem kurz zuvor noch abgelehnten "Einfrieren" des nordkoreanischen Atomprogramms nun doch eine neue Chance geben könnte.

Genügend Gesprächsstoff also für die zweite Runde der Sechs-Parteien-Gespräche, deren Ende offen ist. Und dabei sind noch gar nicht die Sonderanliegen Japans berücksichtigt, die ebenfalls Sand ins Getriebe streuen könnten. Nordkorea hatte in den 70er und 80er Jahren mindestens 13 japanische Staatsbürger entführt, um sie bei der Ausbildung von Spionen einzusetzen. Erst im September 2002, bei einem historischen Gipfeltreffen mit dem japanischen Premier Junichiro Koizumi, gab der nordkoreanische Führer Kim Jong-il die Entführungen zu und ließ fünf von ihnen ausreisen. Die anderen acht waren angeblich verstorben. Japan verlangt, dass Pjöngjang die Familienangehörigen - insgesamt sieben Kinder sowie den Ehemann einer der Freigelassenen - ebenfalls nach Japan ausreisen lässt. Aber Pjöngjang stellt sich stur und droht, die Atom-Gespräche scheitern zu lassen, sollte Japan das Thema dort anschneiden.