1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schatten der Globalisierung

Julia Elvers-Guyot9. November 2006

Die Europäische Zentralbank erhöht den Leitzins für den Euro voraussichtlich weiter. Börsianer spekulieren, ob die US-Notenbank ihre Zinsen senken könnte. Inwiefern beeinflussen sich die Zinspolitiken beider Notenbanken?

https://p.dw.com/p/9MTh
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet schaut auch über den AtlantikBild: picture-alliance/ dpa

Notenbanken wollen mit ihrer Geldpolitik für eine niedrige Inflationsrate und stabile Preise sorgen. Und weil die Europäische Zentralbank (EZB) trotz guter Konjunkturaussichten noch immer eine zu hohe Inflation befürchtet, hat sie die Finanzmärkte erneut auf einen weiteren Zinsschritt eingestimmt.

Angesichts der Inflationserwartungen für 2006 und 2007 sei weiter "große Wachsamkeit" geboten, schreibt die EZB in ihrem Monatsbericht für November, den sie am Donnerstag (9.11.2006) vorlegte. Ein klares Signal. Vor den letzten vier Zinserhöhungen seit Dezember 2005 tauchte das Schlagwort "Wachsamkeit" auch immer auf. Zurzeit liegt der Leitzins für die Eurozone bei 3,25 Prozent, im Dezember könnte ihn die EZB auf 3,5 Punkte anheben.

Auf der anderen Seite des Atlantik waltet die Amerikanische Notenbank, die Federal Reserve Bank (Fed), über die Zinspolitik in den USA. Die Fed hat ihren Zinserhöhungszyklus gestoppt, plant vorerst auch keine weiteren Zinserhöhungen. Viele Börsianer spekulieren sogar, ob die Fed die Zinsen bald wieder senken könnte. Derzeit liegt der Leitzins in den USA bei 5,25 Prozent.

Wechselseitige Beeinflussung?

US-Notenbankchef Ben Bernanke
US-Notenbankchef Ben Bernanke schaut vor allem auf den einheimischen MarktBild: picture-alliance/ dpa

Inwieweit beeinflussen sich die Notenbanken bei ihren Zinsentscheiden? Hätte es zum Beispiel Auswirkungen auf die amerikanische Zinspolitik, wenn die EZB ihre Zinsen nicht weiter erhöhen würde? Wohl kaum, meinen Analysten. "Im Prinzip sind die beiden Zentralbanken unabhängig voneinander", sagt Karsten Junius, Leiter der Abteilung Kapitalmarkt bei der DekaBank. Wenn schon, dann würde wohl schon eher die EZB die Politik der Fed beäugen als umgekehrt.

"Die USA ist eine sehr große Volkswirtschaft, bei der die Außenwirtschaft nicht so eine große Rolle spielt wie bei uns", sagt Junius. Die Eurozone dagegen hänge stark vom Export ab. Kein Wunder also, dass die Europäer genau beobachten, wie sich die Zinspolitik in den USA entwickelt. "EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat bei seiner letzten Pressekonferenz gesagt, dass ihm eine mögliche Schwächephase in der US-Wirtschaft Sorge bereitet. Wenn die auf die Eurozone rüberschwappt, würde die EZB bei Zinserhöhungen vermutlich eine abwartende Haltung einnehmen", sagt Claudia Wind, Volkswirtin bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

Auch Michael Schubert, Volkswirt der Commerzbank, sieht zumindest einen indirekten internationalen Zusammenhang: "Wenn es den USA als führender Weltwirtschaft schlecht oder gut geht, beeinflusst das natürlich auch die Wirtschaft im Euroraum, was wiederum die Inflationsentwicklung im Euroraum beeinflusst."

Abhängigkeit von globaler Inflation

Die Geldpolitik ist heute anderen Einflüssen ausgesetzt als noch vor zehn, zwanzig Jahren. Am Freitag treffen sich die beiden Notenbankchefs Jean-Claude Trichet und Ben Bernanke bei einer EZB-Konferenz in Frankfurt. Thema: die Rolle des Geldes und der Geldpolitik im 21. Jahrhundert. Ein wichtiges Stichwort dabei: die Globalisierung.

Die Globalisierung schreitet immer weiter voran; kein Währungsraum ist inflationsmäßig vollkommen abgeschirmt. "Eine Studie der OECD besagt, dass 70 Prozent der Inflation global gemacht wird. Das heißt, die nationalen Zentralbanken können durch ihre Geldpolitik im Prinzip nur noch 30 Prozent der nationalen Inflationsraten selbst beeinflussen", sagt Karsten Junius von der DekaBank. Ein Beispiel: Chinas WTO-Beitritt hat in den USA und der EU zu einem enormen Preisdruck geführt, insbesondere bei Textilien, die dadurch sehr viel günstiger geworden sind.

Volkswirt Michael Schubert von der Commerzbank warnt ebenfalls vor den Auswirkungen der Globalisierung auf die Geldpolitik. "Man ist zwar für den eigenen Zins verantwortlich und kann ihn im eigenen Land ändern, aber es gibt auch Effekte aus dem Ausland: eine so genannte globale Geldmenge, die im nächsten Jahrhundert möglicherweise die Inflationsrate weltweit beeinflusst. Es ist eine Herausforderung, hierfür neue Indikatoren zu entwickeln."

Geldpolitik der ruhigen Hand

Von dem Treffen zwischen Trichet und Bernanke erwarten sich die Analysten keine wirklich neuen Anstöße, um diesen Problemen zu begegnen. Beide Notenbanken seien um Transparenz bemüht, "aber in unsicheren Phasen können die auch nicht mehr tun als zu sagen: wir achten auf die künftige Datenlage. Das ist eine Geldpolitik der ruhigen Hand - und sicherlich die beste Lösung in solch einer Situation", sagt Helaba-Volkswirtin Claudia Wind.