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Notre-Dame und der schwierige Wiederaufbau

Lisa Louis
15. April 2021

Zwei Jahre nach dem verheerenden Brand an der Kathedrale ist die Vorbereitung für den Wiederaufbau im Gange - doch die Pläne dafür stoßen auf Widerstand.

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Ein Fahrradfahrer fährt an der Kathedrale Notre-Dame vorbei
Die wichtigste Baustelle in Paris: Notre-DameBild: Sadak Souici/dpa/picture alliance

Selten hat man das Fällen von Bäumen wohl so pompös in Szene gesetzt. Umringt von zahlreichen Fernsehkameras hämmerten Anfang März Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien Denormandie und Kulturministerin Roselyne Bachelot an mehrere Eichen kleine Täfelchen mit Nummern darauf. Dann hielten sie im staatlichen Wald von Bercé 200 Kilometer südwestlich von Paris beide eine Rede. "Ich glaube, dass Notre-Dame, welches ein Symbol unserer Vergangenheit ist, zeigt, in welchem Maße die Wälder Zeitgeschichte schreiben", sagte Denormandie feierlich. Seine Ministerkollegin fügte nüchterner hinzu: "Wir brauchen all dieses Holz, weil die Entscheidung getroffen wurde, die Kathedrale so wiederaufzubauen, wie sie vorher war, also vor dem Feuer und seit den Arbeiten [des Architekten Eugène] Viollet-le-Ducs, die 1843 begannen."

Die Eichen gehören zu rund 2000 Bäumen, die man nun gefällt hat und für den Wiederaufbau der Turmspitze und des Dachstuhls von Notre-Dame de Paris einsetzen will. Sie waren bei dem verheerenden Brand am 15. April 2019zerstört bzw. stark beschädigt worden. Aber diese Wiederaufbau-Pläne stoßen auf Unmut. Jedoch nicht deswegen, weil das Versprechen von Präsident Emmanuel Macron, die Kathedrale innerhalb von fünf Jahren wieder komplett aufzubauen, wohl kaum eingehalten werden kann.

Notre-Dame Kathedrale, Rückansicht mit Gerüst
In drei Jahren soll die Kathedrale wiederhergestellt seinBild: Sadak Souici/dpa/picture alliance

Wiederaufbau "innerhalb von fünf Jahren"

Der Brand vor zwei Jahren hatte für Entsetzen in Frankreich und auf der ganzen Welt gesorgt. Tausende Schaulustige hatten sich an dem Abend um das Unesco-Weltkulturerbe versammelt und mit einem Aufschrei beobachtet, wie die Turmspitze schließlich brennend in sich zusammenfiel. Auch weite Teile des mittelalterlichen Dachstuhls verbrannten, und das Gewölbe der Hauptschiffe erlitt Schäden. Tagelang campten Fernsehteams aus aller Welt rund um die Kathedrale und berichteten live - auch als Macron gelobte, das Monument innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen. Zunächst hatte er davon gesprochen, die Turmspitze zeitgenössisch gestalten zu wollen - gab aber schließlich Experten nach, die einen Wiederaufbau nach Viollet-le-Duc gefordert hatten. Kurz nach dem Brand sagten große Unternehmen und kleine Geldgeber fast eine Milliarde Euro an Spenden für den Wiederaufbau zu. Die Verwalter der Kathedrale haben inzwischen 833 Millionen Euro davon eingesammelt und für 98 Prozent zumindest eine rechtsverbindliche Zusage erhalten.

Bäume sollten "sowieso gefällt werden"

Für den originalgetreuen Wiederaufbau braucht Frankreich nun also Eichen. Sie sollen jeweils zur Hälfte aus privaten und öffentlichen Wäldern kommen. Nach dem Fällen müssen sie zwölf bis 18 Monate gelagert werden, um die Feuchtigkeit des Holzes auf etwa 30 Prozent zu senken.

Es handele sich um jahrhundertealte Bäume, die sowieso auf der Liste der zu fällenden Eichen gestanden hätten, sagt Guillaume Larrière, Sprecher des ONF, Frankreichs staatlicher Verwaltungsbehörde für die Wälder. "Wir fällen regelmäßig große, alte Bäume - einerseits, um die Versorgung mit Bauholz zu gewährleisten, andererseits, weil dadurch Platz geschaffen wird für jüngere Bäume, die viel Licht brauchen." Frankreich habe zudem eines der strengsten Regelwerke der Welt für Waldbewirtschaftung: "Deswegen ist es schon richtig, das Holz für Notre-Dame ausschließlich aus Frankreich zu beziehen - hier haben wir Kontrolle darüber, wie genau es gefällt wird."

Umweltschützer: Wiederaufbaupläne sind "völlig überholt"

Jacky Bonnemains von der Umweltschutz-NGO Robin des Bois
Umweltschützer Jacky Bonnemains Bild: Robin des Bois

Doch dieses Vorgehen kritisiert Jacky Bonnemains. Er ist Vorsitzender des Umweltschutzvereins Robin des Bois. "Wir amputieren unsere Wälder und entreißen ihnen Eichen, die für ihre Regeneration wichtig sind - sie sind Lebensraum für eine große Anzahl an Insekten und Vögeln", sagt Bonnemains gegenüber der DW. Seine Meinung teilen zumindest seine mehr als 40.000 Landsleute, die eine Petition unterschrieben haben, um die Fällarbeiten zu stoppen.

Die Entscheidung, Notre-Dame originalgetreu wiederaufzubauen, nennt er "völlig überholt": "Ich hätte nie gedacht, dass die Regierung sich für dieses infernale Duo aus Holz und Blei entscheidet, wodurch der Brand und daraufhin die Bleiverschmutzung überhaupt möglich waren."

Eine erhebliche Bleiverschmutzung auf dem Gelände der Kathedrale und in umliegenden Gebieten hatte auch das staatliche Institut für industrielle Umgebungen und deren Risiken bestätigt. Robin des Bois hatte daher 2019 Klage gegen Unbekannt wegen Gefährdung des Lebens Anderer erhoben. Das Verfahren wurde jedoch vor ein paar Monaten eingestellt.

Für Bonnemains wären andere Baustoffe viel zeitgemäßer und sicherer: "Die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul in Nantes zum Beispiel hat einen Dachstuhl aus Beton. Das Feuer im vergangenen Jahr hat dort so nur relativ begrenzten Schaden angerichtet", erklärt er.

Blei und Holz "ideale Kombination"

Aber Beton sei im Falle von Notre-Dame de Paris keine Option, entgegnet ein Sprecher der Verwaltungsbehörde des Monuments, der seinen Namen nicht in den Medien sehen möchte. "Die Dachstruktur der Kathedrale braucht ein ganz bestimmtes Gewicht, damit das Gebäude stabil ist - eine Kombination aus Blei und Holz ist ideal", sagt er zur DW. Dabei nehme man die Gesundheit der Menschen keineswegs auf die leichte Schulter. "Das Feuer konnte sich ausbreiten wegen menschlichen Versagens - wir brauchen einfach mehr Personal zur Überwachung und das an den richtigen Stellen. Außerdem werden wir Brandschutztüren einbauen, um künftige Feuer zu verhindern", erklärt er.

Im Übrigen passe das Holz genau in den Zeitplan des Wiederaufbaus. Bis Juli sollen die Arbeiten zur Sicherung gegen den Einsturz der Kathedrale noch weitergehen, dann wolle man zahlreiche öffentliche Ausschreibungen starten, um Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres mit der eigentlichen Rekonstruktion zu beginnen. "2024 wird Notre-Dame dann wie geplant für Messen öffnen," so der Sprecher.

"Messen realistisch in drei Jahren"

Yann de Carné, Präsident des französischen Branchenverbands GMH, der 80 Prozent der Unternehmen repräsentiert, die Restaurierungsarbeiten an öffentlichen Monumenten durchführen
Yann de CarnéBild: GMH

Doch Stimmen, die am Zeitplan des Präsidenten zweifeln, werden lauter. Sie kommen sogar von der Baustelle selbst. "Die Sicherungsarbeiten haben sehr lange gedauert, und wir werden wahrscheinlich einige Arbeiten auch nach 2024 noch weiterführen müssen - wie zum Beispiel die an den Strebebögen an der Außenseite des Gebäudes", sagt Yann de Carné zu DW. Er ist Präsident des Branchenverbands GMH, der 80 Prozent der Unternehmen repräsentiert, die Restaurierungsarbeiten an öffentlichen Monumenten durchführen. "Aber Messen und auch eine Wiederöffnung von Teilen der Kathedrale für Besucher - das scheint durchaus realistisch für in drei Jahren", findet er. Patrick Chauvet, Direktor der Notre-Dame, sagte der Nachrichtenagentur AP kürzlich, dass die gotische Kathedrale weitere "15 oder 20 Jahre" eine Baustelle sein könnte. 

Auch Jacky Bonnemains glaubt, dass der Wiederaufbau der Kathedrale "noch viele Jahre" dauern wird. "Das gibt uns die Zeit, gegen dessen Art und Weise vorzugehen," sagt der Umweltschützer. Sein Verein will die Klage wegen Bleivergiftung in einem wiederholten Anlauf, diesmal als Nebenkläger, neu anstoßen.