Beate Zschäpe lässt reden
7. Dezember 2015Warum jetzt? Warum überhaupt? Und vor allem: Was wird sie sagen? Beate Zschäpe, die einzige Überlebende der mutmaßlichen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), hat 247 Verhandlungstage keinen Ton von sich gegeben.
In dieser Woche will sie ihr Schweigen brechen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die wesentlichen Anklagepunkte des im Mai 2013 begonnenen Strafverfahrens abgearbeitet sind. Schon deshalb wird darüber spekuliert, warum die Hauptangeklagte so lange gewartet hat. Zschäpe muss sich wegen Mittäterschaft an zehn rassistisch motivierten Morden und mehreren Bombenanschlägen verantworten.
Als Todesschützen gelten zwar die ums Leben gekommenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, aber die knapp 41-Jährige soll ihren Komplizen im Untergrund von 1998 bis 2011 den Rücken frei gehalten haben. Davon ist die Bundesanwaltschaft überzeugt.
Die ihr zugeschriebene Rolle hat sich durch zahlreiche Zeugen-Aussagen im NSU-Prozess bestätigt. Allein das dürfte reichen, um Zschäpe zu einer hohen Haftstrafe zu verurteilen. Hinzu kommen weitere gravierende Vorwürfe, darunter versuchter Mord. Der wird ihr im Zusammenhang mit der Explosion des letzten NSU-Unterschlupfs in Zwickau zur Last gelegt. Zschäpe soll die Wohnung in Brand gesteckt und den Tod einer Mitbewohnerin in Kauf genommen haben.
Haft hinterlässt Spuren
Wahrscheinlich am Mittwoch wird die Öffentlichkeit nun Zschäpes Version zu hören bekommen, vorgetragen von ihrem erst seit Juli tätigen vierten Pflichtverteidiger Mathias Grasel. Daran will er angeblich festhalten, obwohl seine Mandantin nach Informationen von "Spiegel Online" einen Nervenzusammenbruch erlitten haben soll.
Grasel genießt im Unterschied zu Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm das Vertrauen der Hauptangeklagten. Mit ihrem ursprünglichen Verteidiger-Trio spricht sie seit Monaten kein Wort mehr. Deren Antrag, von ihrem Mandat entpflichtet zu werden, war allerdings erfolglos. Das offenkundig zerrüttete Verhältnis könnte der letzte Anstoß für Zschäpes Sinneswandel gewesen sein.
Mit gesundheitlichen Problemen hat die aus Jena stammende Rechtsextremistin schon länger zu kämpfen. Mehrmals mussten deshalb Verhandlungstage kurzfristig abgesagt werden. Die Dauer des Strafverfahrens und die inzwischen Jahre im Gefängnis haben Spuren hinterlassen.
Besonders schwer dürfte es der als selbstbewusst geltenden Zschäpe aber gefallen sein, zu belastenden Zeugen-Aussagen zu schweigen. Vor allem dann, wenn frühere Wegbegleiter aus dem Neonazi-Milieu wenig Schmeichelhaftes über ihre angebliche Gesinnung zum Besten gaben.
Schaute der Verfassungsschutz weg?
Besonders brisant könnte Zschäpes Erklärung auch noch aus einem anderen Grund werden: wenn sie über Verbindungen zum Verfassungsschutz reden sollte. Die Rolle des Inlandsgeheimdienstes im NSU-Komplex konnte im Prozess kaum aufgehellt worden.
Fest steht, dass Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos unter den Augen ihrer vermeintlichen Aufpasser untertauchen konnten. Zschäpes Erklärung birgt also auf jeden Fall einige Spannung in sich. Da weder Mittwoch noch Donnerstag Zeugen geladen sind, gäbe es theoretisch genug Zeit für eine ausführliche Erklärung. Fragen des Gerichts will Zschäpes auf jeden Fall beantworten. Ob persönlich, ließ Pflichtverteidiger Grasel offen. Die Antworten würde er womöglich selber im Namen seiner Mandantin geben.
Unterstützung wird Grasel von seinem Kanzlei-Kollegen Herrmann Borchert erhalten. Der vertritt seit kurzem als Wahlverteidiger ebenfalls Zschäpes Interessen. Ob die beiden auch Fragen der anderen Verfahrensbeteiligten beantworten werden, ist im Moment noch unklar.
Dabei hätten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidiger der vier weiteren Angeklagten eine Menge Fragen an Zschäpe. Ganz zu schweigen von den Nebenklägern. Die Angehörigen der NSU-Opfer wollen endlich erfahren, wer ihre Väter und Söhne sowie die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet hat.