Transatlantikpolitik
14. Februar 2008Das Interesse der Europäer am US-Vorwahlkampf ist riesig: Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin widmet dem demokratischen Anwärter Barack Obama im Februar seine Titelgeschichte und im Internet kommentieren junge Europäer in unzähligen Blogs und Foren die Vorwahlen jenseits des Atlantiks. Viele Europäer verbinden mit der Wahl eines neuen US-Präsidenten die Hoffnung auf einen Neuanfang in den amerikanisch-europäischen Beziehungen. Die hatten durch zahlreiche Kontroversen, wie etwa George W. Bushs unnachgiebige Haltung beim Thema Klimaschutz oder seinen Alleingang in der irakischen Wüste so manchen Dämpfer erlitten. Darum scheint für die Europäer klar: Beim nächsten Präsidenten wird alles besser, und wenn er – oder sie – Demokrat ist, dann sowieso.
Keine fundamentale Neuordnung
So intensiv sich Europäer mit Obama und Clinton beschäftigen, so nebensächlich ist das Thema Europa jedoch gegenwärtig für die beiden Top-Demokraten. Bis auf ein paar Sätze in einigen Reden und Aufsätzen hat keiner von beiden dazu ein Wort verloren. "Eine fundamentale Neubewertung des transatlantischen Verhältnisses wird es nicht geben", sagt Esther Brimmer, Forschungsdirektorin am Center for Transatlantic Relations (CTR) der Johns Hopkins Universität in Washington. Aber der Ton werde sich ändern, so ihre Vermutung: "Obama und Clinton werden sich beide kooperativer, internationaler geben. Und Europa bleibt für jeden neuen US-Präsidenten der wichtigste Partner." Bei den transatlantischen Streitpunkten Klimawandel oder Menschenrechte könnten die Europäer mit wesentlich mehr Kooperation hoffen als bisher, sagt sie.
USA beanspruchen Führungsrolle
Doch sowohl unter einem Präsidenten Obama als auch unter Clinton würden die USA auch im Kampf gegen den Klimawandel die Führung beanspruchen, erläutert Brimmer, und sich nicht von den Europäern auf ein bestimmtes Vorgehen festlegen lassen. Auch eine Ratifizierung der Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) ist unter einem neuen US-Präsidenten nicht absehbar. "Mit so viel Militärpersonal auf der ganzen Welt wollen sich die USA nicht politisch motivierter Anklagen anderer Staaten vor dem ICC aussetzen müssen", sagt sie weiter. Den ICC aktiv hintertreiben, wie es die Bush-Regierung anfangs tat, werde ein neuer US-Präsident aber nicht: Selbst die gegenwärtige Administration habe sehr wohl zur Kenntnis genommen, das sich der ICC bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen im Sudan sehr engagiert zeigt.
Deckungsgleiche Außenpolitik
Auch beim Thema Irak und dem Umgang mit den Nuklearambitionen des Iran würden sich ein Präsident Obama oder Clinton enger mit den Europäern absprechen, vermutet Brimmer. Der Senator aus Illinois hatte sich 2007 mit dem Vorschlag hervorgetan, mit dem Iran das direkte Gespräch suchen zu wollen. Clinton bezeichnete den Vorschlag als naiv, obgleich die von Bush bestellte Kommission um Ex-Außenminister James Baker in ihrem Irak-Bericht im Dezember 2006 die gleiche Forderung erhob.
Der wohl wichtigste Unterschied zu Clinton sei, dass "Obama jetzt die Weichen dafür stellen will, wo die USA in 30 oder 40 Jahren stehen", sagt Brimmer. Das betreffe besonders Fragen wie den Klimawandel oder den internationalen Dialog. Clinton sei mehr damit beschäftigt, das Ansehen der USA in nächster Zeit zu verbessern. Dieser unterschiedliche Ausblick "beeinflusst natürlich auch die Rolle, die Europa mittelfristig für die USA spielt".
Transatlantischer Dialog mit neuen Vorzeichen
Bushs bisherige Außenpolitik mag zum Sturm über dem Atlantik beigetragen haben, doch es habe auch einen grundsätzlichen strukturellen Wandel der transatlantischen Freundschaft gegeben, gibt Karen Donfried, Vizepräsidentin des German Mashall Funds der Vereinigten Staaten (GMFUS) zu Bedenken: "Die Anschläge vom 11. September 2001 trafen die USA zu einer Zeit, als sich die Europäer – nach dem Ende des Kalten Krieges – so sicher wie nie zuvor fühlten." Damit sei klar gewesen, dass die USA und Europa nicht nur jeweils eigene Interessen entwickelt hatten, sondern nun nicht einmal mehr durch einen gemeinsamen Gegner geeint waren: Während Amerikaner in Umfragen den Terrorismus als Bedrohung Nummer eins ansehen, ist es bei den Europäern der Klimawandel.
Das Aufkommen neuer Supermächte wie China und Indien könnte Amerikaner und Europäer wieder zueinander finden lassen."Die EU und die USA müssen zusammenarbeiten, um in das von ihnen so deutlich geprägte globale politische System jene Länder zu integrieren, die von außerhalb dieser Tradition stammen", so Donfried. In diesem Sinne würden Obama oder Clinton die Europäer als effektive Partner begreifen. Voraussetzung dafür sei, dass "die Europäer ihr Haus endlich in Ordnung bringen", rät sie: "Im Feilschen um eine europäische Verfassung und um den Reformvertrag von Lissabon waren die Europäer so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie weder einig genug waren, noch den notwendigen Blick nach außen hatten, um dieser effektive Partner zu sein."